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Lieber über Sex sprechen

■ Totally F***ed Up portraitiert homosexuelle Teenager in L.A.

Andy wird sich nachher umbringen. Und Deric wird von homophoben Arschlöchern krankenhausreif geschlagen. Aber vorläufig geht es um Samstagabende ohne Date, um schwules und lesbisches Teenager-Dasein in Los Angeles sowie Sex im allgemeinen und besonderen. „Sex“, sagt Andy, „sucks“. Sex nervt.

Dankenswerterweise kommt Totally F***ed Up auch ohne Fick-Szenen aus, die dem Film nur den Charme nehmen würden. Das Sprechen drüber ist dagegen sehr vergnüglich, besonders wenn einer der sechs Protagonisten seine Wackel-Kamera auf die anderen fünf hält und diese erzählen läßt. So liebenswert sind homosexuelle 19jährige selten portraitiert worden. Schade nur, daß keiner von ihnen wirklich Konturen erhält; lediglich Andy rückt uns mit seiner verschrobenen Schüchternheit näher.

Überhaupt ist es etwas anstrengend herauszufinden, wer all die kichernden und verloren dreinblickenden Halbwüchsigen auf der Leinwand sind, was sie miteinander zu tun haben und wo das Ganze sich abspielt. Witzige Zwischentitel, ganz in der Mundart der Heldinnen und Helden gehalten, sind der einzige Ordnungsfaktor in dem handlungsarmen Chaos. Abgesehen davon, daß die Untertitel erneut die zutiefst frustrierende Frage nach der immanenten Humorlosigkeit der deutschen Sprache aufwerfen, machen die Dialoge Freude. Allerdings scheinen die Jungs und Mädels angesichts ihrer mangelnden Intellektualität doch ungewöhnlich eloquent zu sein.

Auf jeden Fall erhält das Geschehen durch Stevens Super-8-Filmmitschnitte, die in den kaum professioneller wirkenden No-Budget-Streifen eingeflochten sind, eine Authentizitäts-Patina, die sich auch über Regie und Produktion legt. Tatsächlich hat Greg Araki, Autor, Regisseur, Kameramann und Cutter, sowohl seine Darsteller als auch ihre Geschichtsbröckchen aus der Subkultur zusammengepflückt. Gedreht wurde sein vierter Film nach Three Bewildered People In The Night, The Long Weekend (O'Despair) und The Living End mit der im Underground-Film üblichen Beschränktheit der Mittel. Sein neues Werk aber bezeichnet Araki in einem Interview als seinen bisher „herausforderndsten, risikobereitesten und aufrichtigsten Film“. Mehr davon.

Ulrike Winkelmann

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