■ Lieber ein Ende mit Schrecken: Schmierentheater
Die Inszenierung, die um das Ende des Schiller Theaters gegeben wird, ist reich an Finten, Finessen und verlogenen Gestalten. Solidarität säuselnde Intendanten, die, derweil sie den Niedergang der Kultur beklagen, die eigenen Zuwendungen kalkulieren, eine Boulevardjournaille, die zur Rettung trommelt, wo sie sich doch am Untergang so weidet, und schließlich eine CDU-Fraktion, die gar die „Identität Westberlins“ klagend schwinden sieht und nun in Luther- Pose verfällt. Billig beifallheischend waren die Reden Landowskys von der Unterstützung, die er der Bühne angedeihen lassen wolle, für die Betroffenen geradezu zynisch seine gestrige „Chance“, wie das Theater zu retten sei. Seine Forderungen gleichen den Maßgaben, mit denen der Hase gegen den Igel ins Rennen geschickt wurde. Bei soviel Schmierentheater lobt man sich geradezu den Kultursenator, weil der die Rolle des Schurken wenigstens so stilvoll durchhält. Nein, das Schiller Theater war nicht zu retten und soll auch nicht gerettet werden – es hat sich künstlerisch überlebt. Das kommt häufiger vor und ist eigentlich nicht weiter tragisch, doch als hochsubventionierte Bühne mit geringen Einnahmen ist sie unter den Bedingungen der Einheit nicht mehr tragbar. Aufgabe der Politik und nicht der Kunst ist es, das frühzeitig deutlich zu machen und alternative Konzepte zu entwickeln. Die Bestürzung, mit der die Kulturpolitiker auf den Abwicklungsbeschluß reagiert haben, zeugt von ihrem geringen Gespür dafür, in welchem wirtschaftlichen und politischen Umfeld sie sich – nicht erst seit gestern – bewegen. Das Schiller Theater ist vielleicht die erste Kultureinrichtung, die im Westen – nicht nur Berlins – der Einheit geopfert wird. Ihr werden jedoch noch eine ganze Reihe nicht minder prominenter folgen. Sollten die jüngsten Beschlüsse des Finanzministeriums realisiert werden, drohen so angesehenen Einrichtungen wie dem Bacharchiv Leipzig, der Stiftung Deutsche Kinemathek und den Ruhrfestspielen Recklinghausen, um nur einige Beispiele zu nennen, das Ende. Sollte das daraufhin einsetzende Lamento nur zum wiederholten Male die „Sparpolitik“ beklagen, kann es getrost unterbleiben. Seinen dramaturgischen Wert hätten wir bereits zur Genüge beim Schiller Theater ausgekostet. Dieter Rulff
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