: Lieber Herr Gehrke!
■ Gasnost für die Rostocker NNN
Wenn der Bürgerschaftspräsident Sie heute als Chefredakteur der NNN beim festlichen Neujahrsempfang in Bremen begrüßt, wenn er die Tatsache, daß das 1990 möglich ist, der Demokratiewerdung in der DDR zuschreibt, dann sei das Ihnen und uns gegönnt. Denn im Unterschied zu der SED -„Ostseezeitung“, die das größte Rostocker Papierkontingent zugeteilt bekommt, gibt die „NNN“ den Menschen, die die Demokratisierung der DDR machen, immerhin begrenzten Ausdruck. Wenn, wie in der letzten Woche, die Empörung darüber steigt, daß die Regierung Modrow den Verfassungsschutz in Rostock mit dem Stasi-Kader Amthor und im alten Palast des Grauens und der Staatssicherheit wiederaufbauen will und wenn das Rostocker Neue Forum dagegen rebelliert, dann findet man das allenfalls - in NNN. Aber Sie sollten den Leuten, die Sie hier ehren, auch klaren Wein darüber einschenken, daß das Ihr Verdienst kaum ist. Daß die Mehrheit in ihrer Redaktion Ihnen vor kurzem die Pistole auf die Brust gesetzt hat und gesagt: Entweder Du milderst Deine Berührungsangst gegenüber der neuen demokratischen Opposition, oder wir sorgen dafür, daß Du auf Deinem Chefstuhle nicht sitzen bleibst. Was, wie Sie zugeben werden, nicht einfach ist bei einem „Berufungskader“ wie Ihnen, der von der Zentrale Ihrer Partei, der NDPD, eingesetzt wird. Sie sollten nicht unterschlagen, daß die von Ihnen eingesetzte Redaktion dagegen rebelliert, daß Sie „Ihre“ Zeitung für die NDPD, die als Blockpartei der SED die Misere der DDR mitverantwortet, auch noch in den Wahlkampf schicken wollen. Wer sich für die demokratische Erneuerung feiern läßt, sollte sie nicht in der Zeitung blockieren. Glasnost für NNN!
Uta Stolle
!!!!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen