: Liebe ist eine Ohrfeige
Mit einem gerne auch erotischen Kurzfilmprogramm seiner Studenten verabschiedete sich Rosa von Praunheim im Babylon Mitte nach fünf Jahren Lehrtätigkeit an der Babelsberger HFF „Konrad Wolf“
VON JAN KEDVES
Wenn Rosa von Praunheim im Herbst seinen Hut, genauer gesagt: seine rote Baseballmütze nimmt, um sich nach fünf Jahren als Professor für Regie von der HFF „Konrad Wolf“ in Babelsberg zu verabschieden, wird durch die Gänge der Hochschule eine Brise der Erleichterung wehen. Nicht dass Praunheim als Professor nicht erfolgreich gewesen wäre. Immerhin hat seine Klasse mit Robert Thalheim („Netto“) einen veritablen Jungstar hervorgebracht. Nicht dass man ihn in der Zeit nicht auch lieb gewonnen hätte. Aber gewütet hat er. Und genervt. Wie er es nun mal bevorzugt.
Das Kurzfilmprogramm, mit dem Praunheim am Wochenende im Babylon-Kino in Mitte abschließende Einblicke in seine Arbeit als Regie-Professor gewährte, trug den Titel „Die wunderbaren Studenten des Professor Rosa von Praunheim“. Doch bei aller Egomanie: Die Veranstaltung gewann dadurch, dass der Lehrer es sich nicht nehmen ließ, eigenhändig durchs Programm zu führen, ungemein. Da stand er nämlich, grinste, plauderte und tauschte Anekdoten mit seinen Studenten aus – jungen oder schon etwas älteren Menschen, die ihn duzten, Bussis gaben, denen aber auch deutlich die Ratlosigkeit und Wut ins Gesicht geschrieben stand, die sein unberechenbarer Didaktik-Mix aus „laisser-faire“, „autoritär“ und „unfair“ in den letzten fünf Jahren zu provozieren wusste.
Einigen von ihnen zog Praunheim hastig das Mikrofon unterm Kinn weg – für die Pointen wollte er lieber selbst sorgen. Die teils bereits erfolgreich auf Arte oder bei Festivals gezeigten Kurzfilme des Programms seien, so Praunheim, unter merkwürdigen Umständen entstanden: Wenn seine Studenten rumjammerten – grundlos, wie er meinte –, wollte er ihnen die Augen für den Luxus öffnen, in dem sie an der HFF schwelgen. Also schickte er sie zum Filmen nach Kalkutta oder ins Gefängnis nach Neustrelitz. Wenn ihn das Gefühl beschlich, sie seien verklemmt – was dem Veteranen der homosexuellen Befreiung natürlich als unerträglicher Rückschritt erscheinen musste –, befahl er, erotische Kurzfilme zu drehen.
Diese „Erotic Tales“, bildeten tatsächlich den Höhepunkt des Programms. Fantastisch, wie Cornelius Onitsch in „Der große Diktator“ seinen Professor auf die Schippe nimmt: Er zeigt einen Mann mit roter Schirmmütze, der beim Cruisen im Park von zwei Studenten überrascht wird und beschämt im Gebüsch abtaucht. Schwul sei er nicht, hört man einen der beiden jungen Männer sagen, doch Fassbinder, den tollen Fassbinder, würde er schon mal ranlassen. Prompt springt Praunheim aus dem Busch: „Ich bin’s, Fassbinder!“ Über die viel beschworene Libido des 63-Jährigen sowie seine nie ganz verwundenen Rivalitäten sprach das Bände.
Eine erotische Beziehung zwischen Lehrer und Student thematisierte denn auch die Chinesin Dan Tang. Mit „Make Love In Heaven“ empfahl sie sich nicht nur als künftiger Kassenschlagergarant für gefühlige Beziehungsdramen, sie verlas auch einen rührenden Abschiedsbrief an den Chef: „Liebe zeigt Rosa nicht nur durch Belohnung, sondern auch mal durch Ohrfeigen.“ Das Gelächter im Saal ließ darauf kurz vergessen, dass es vermutlich noch viel interessanter gewesen wäre, auch Studenten zu Wort kommen zu lassen, die in den vergangenen fünf Jahren weniger humorvoll mit Praunheims Methoden umzugehen wussten – und deswegen von ihm vor die Tür gesetzt wurden.
Allerdings war es im Babylon schon beruhigend zu sehen, dass diejenigen Jungfilmer, die Praunheim als präsentabel erachtet, nicht automatisch Filme drehen, die nach Praunheim aussehen. Einigen seiner Lehrbefohlenen hat der scheidende Professor – auch das war im Babylon nicht zu übersehen – bis jetzt noch nicht austreiben können, sich ästhetisch und narrativ eher an Science-Fiction- oder Action-Blockbustern zu orientieren.