"Liebe Taz...": Mißbrauch hineingefragt?
■ "Sexueller Mißbrauch..." (taz vom 19.7.93)
Dieser Artikel hat mich sehr geärgert; er ist zwar typisch in seiner Undifferenziertheit und Oberflächlichkeit für die taz-Bremen und auch für die taz im allgemeinen, doch bei diesem Thema ist mir der Kragen geplatzt. Unbestreitbar ist es dramatisch, wenn der Verdacht des sexuellen Mißbrauchs in einer Familie zu einem Eingreifen von Seiten der Behörden führt, der Verdacht sich hinterher als nicht begründet herausstellt.
Aber was soll dieser Artikel uns Leserinnen und Lesern mitteilen? Jede Auseinandersetzung damit, wie es zu einer solchen Fehlbeurteilung kommen konnte, fehlt. Wahrscheinlich, so muß die Leserin und der Leser jetzt denken, sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Vertrauensstelle Benjamin allesamt inkompetent. Wer sich mit Arbeit und Struktur der Vertrauensstelle Benjamin befaßt, wird feststellen, daß die Struktur und die Arbeitsweise sehr gut sind. Will Klaus Wolschner uns suggerieren, daß jemand, der einen Schwerpunkt hat, nicht kompetent ist, weil er nur noch sieht, was er sehen will? Grundsätzlich halte ich Fachleute für kompetenter als solche, die über ein Spezialgebiet nur oberflächlich Bescheid wissen. Klaus Wolschner scheint sich noch nie vorher mit diesem Thema beschäftigt zu haben, sonst wüßte er, daß es immer eine Gratwanderung zwischen Zu-Spät-Eingreifen und Zu-Früh- Eingreifen ist. Wenn ein Kind mit seinen Signalen in einem anderen Fall nicht ernst genommen wird, sind die Folgen genauso schrecklich.
Statt sich intensiv mit der Problematik dieser Art von Arbeit auseinanderzusetzen, bringt der Autor die Arbeit der Vertrauensstelle Benjamin in Mißkredit. Und was weitaus schlimmer ist: Meinungsmache dieser Art bestärkt jene, die die undeutlichen Anzeichen und Signale, die Kinder geben, wenn sie in irgendeiner Form mißbraucht werden, nicht ernst nehmen wollen. Gudrun Stenzel, Oldenburg
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