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LidokinoSafer Sex mit Private Ryan?

■ Korrespondentenpech und Pressefrust auf dem Filmfest in Venedig

Es gibt Momente, da starrt man dumpf, frustriert und abgekämpft nach dem ersten Filmfesttag, an dem alles schiefging, was nur schiefgehen kann, plötzlich auf ein schwarzes T-Shirt. Der Blick klebt geradezu dran, und trotzdem dauert es ungefähr hundertdrei Jahre, bis die Botschaft rüberkommt. Sozusagen der Uhu- noch vor dem Aha-Effekt. Aber was dann geschieht, nennt man wohl Erleuchtung. Wo es sich doch eher um einen blöden Joke handelt: „Don't panic it's only a filmfestival.“ Alora, wie man in diesem Land sagt.

Am Ende hatte sich das Chaos auch gelichtet, und der Herr Hippen wollte sich mein Pressefach doch nicht unter den Nagel reißen. Jedenfalls erschien er bis zum Abend nicht, um sich den Schlüssel abzuholen, der für ihn – der ebenfalls für die taz akkreditiert ist – bereitlag. Scheint doch eine größere Zeitung zu sein, als die gemeine Redakteurin so ahnt. Apropos Pressefach und T- Shirt: Je blöder der Joke, desto wahrscheinlicher ist er. Nirgendwo im ganzen Pressezentrum hängt auch nur ein einziger kleiner Zettel, auf dem zu ersehen wäre, wo die Pressefächer sind. Die drei im Ufficio Stampa befragten Damen wußten es auch nicht genau, tippten aber naturgemäß auf drei ganz unterschiedliche Orte. Als sich das Ding schließlich fand, lag selbstverständlich ein Zettel drin, dem einwandfrei zu entnehmen war, wo die Pressefächer sind.

Was auch schiefging – nach dem Motto „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ –, war die Pressevorführung von „Saving Private Ryan“. Immerhin darf von der Pressekonferenz berichtet werden, daß Krieg doch so ein tolles Jungensding ist. Tom Hanks meinte, das Schwierigste beim Dreh wäre es gewesen, den Spaß, den die Crew dabei hatte, im Film nicht zu zeigen. Ging ja schließlich um ein ernstes Thema. „Aber ehrlich gesagt, wir Jungs hatten eine Riesenzeit beim Filmen, wir trugen Uniformen und gingen jeden Tag bei großartigem Wetter an einen herrlichen Set, die Leute waren wunderbar, freilich waren die Gründe für dieses Spiel, das so viel Spaß machte, ziemlich ernste Gründe.“ Sollte man doch meinen. Ansonsten wurde viel davon gesprochen, daß endlich die gewürdigt werden, die für Freiheit und Demokratie gekämpft haben und gefallen sind. Ich kann mich täuschen, aber wurde seit 45 nicht immer wieder in diesem Sinne gewürdigt?

Dann allerdings passierte etwas Merkwürdiges. Ein junger Italiener von der Liga für den Gebrauch von Kondomen – ist es vorstellbar, daß es so etwas gibt? – wollte an Steven Spielberg eine Frage stellen. Leider brüllte ihn der Leiter der Pressekonferenz sofort nieder, und so wurde die, die zu weit vom Ort des Geschehens saß, erneut bestraft. Der junge Mann ließ nicht locker und meldete sich erneut, wobei er kleine weiße Teile hochhielt, weshalb ich überzeugt bin, daß ich richtig verstanden habe. Falls nicht, dürfen Sie sich Ihren Reim drauf machen, was Ihre Berichterstatterin mit dem Spaß, den die Jungs beim Krieg spielen hatten, so assoziiert...

Ansonsten spekulierte Claude Lelouche über „Zufall und Koinzidenz“. Das ergab eine sehr französische „Liebe das Leben“- Geschichte mit schönen Bildern von Eisbären, einem ebenso schönen und raffinierten Spiel mit der Kadrierung des Filmbilds und was daraus wird, wenn die Kamera plötzlich aus diesem Rahmen rausfällt, sowie einer kleinen Philosophie der Lüge mit Hilfe der Untertitel. Brigitte Werneburg

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