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LidokinoMama ist eine Chaotin

■ Venedig entdeckt Hollywood, Italien filmt laute Don Camillos und den Garten Eden

Rohmer rettet die Mostra vor der Mittelmäßigkeit, schreibt Samuel Blumenfeld in Le Monde. Der Mann hat recht. Neben der Tatsache, daß er die „Truman Show“ vergißt. Aber was Hollywood angeht, haben die Franzosen eine Amnesie. Anders als im letzten Jahr erinnerte sich Felice Laudadio, Chef der Mostra, heuer an den kleinen Ort in den Hügeln von Los Angeles, und deshalb stehen noch die Weltpremieren von Woody Allen, Larry Clark, Bryan Singer und John Frankenheimer aus sowie europäische Erstaufführungen von Warren Beattys „Bulworth“ und Steven Soderberghs „Out of Sight“. Laudadio darf sich bei seiner zweiten Mostra auch keine großen Fehler erlauben, denn der kürzlich privatisierte Aufsichtsrat der Biennale entscheidet dieses Jahr darüber, ob sein Vertrag für weitere vier Jahre verlängert wird.

Vielleicht hat Laudadio auch deshalb den lange diskutierten und schon fürs letzte Jahr angekündigten Filmmarkt ins Werk gesetzt. Fürs erste ist er sehr klein und gibt sich entsprechend fein. „Filmmarket With Attitude“, nennt das Variety.

Die Idee allerdings, die neue Welle italienischer Filme in einer eigenen Reihe vorzustellen, ließ Laudadio fallen. Er steckte – oder vielleicht versteckte – sie nun, sofern sie nicht im Wettbewerb laufen, in verschiedenen Reihen wie „Notti e stelle“, „Prospettive“ oder „Settimana Internazionale della Critica“. Francesca Archibugis „L'albero delle pere“ war bislang am erträglichsten. Zwei Kinder stehen gegen zwei Väter und eine Mutter. Egozentriker allesamt. Ob als Karrierist und Rechtsanwalt, als alternder Experimentalfilmer oder als depressive Chaotin, angesichts der Aufgabe, die beiden Kinder großzuziehen, versagen sie kläglich. Nun soll das aber nicht nur das Versagen von Archibugis Protagonisten sein, sondern gleich das einer ganzen Generation von heute 40jährigen, und hier überhebt sich der Film dann doch am Gewicht seiner These.

Alessandro D'Alatris „Il Giardini dell'Eden“ fand im Leben, besser: der geistigen Erziehung Jesu sein Thema. Nachdenken heißt bei Jesus, sich ebenso bedachtsam wie eitel mit durchs Haar zu streichen. Dafür erhielt der Garten Eden die Zustimmung des Klerus.

Keineswegs die Zustimmung des Publikums fand dagegen die Lautstärke, in der Michele Placidos „Del perduto amore“ abgespielt wurde. Nachdem das Geschrei nicht nachließ, flohen die Zuschauer in Massen aus dem Kino. Ihre Berichterstatterin hofft nun sehr auf den morgigen technischen Bericht aus dem Projektorraum, der in jedem Fall gehaltvoller sein wird als Placidos folkloristisches Sittengemälde, das Italiens Don- Camillo-und-Pepone-Dilemma der 50er Jahre – Sie wissen schon, Kommunismus und Katholizismus – noch einmal aufs Tapet bringt.

Und bevor es – wie gestern – unter den Tisch fällt, das Wichtigste zum Schluß. Wenn Sie jetzt erfahren, daß Ihre Berichterstatterin im Moment, in dem diese Zeilen geschrieben werden, schläft – schließlich ist es zwei Uhr morgens –, dann glauben Sie bitte nicht, sie sei nun von allen guten Geistern verlassen. Im Gegenteil. Weil Ihre Berichterstatterin ihren Filmrausch minderer Qualität einfach einmal ausschlafen muß – schließlich heißt es heute um neun Uhr schon wieder, in „Out of Sight“ zu gehen –, verfaßte diesen Venedigbericht stellvertretend der Geist von Brigitte Werneburg

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