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Lidls Fair-Aufschlag ist unfairDie Milch macht's nicht

Lidl verkauft in Bayern eine als fair beworbene Milch – 80 Prozent teurer. Doch der Verteilungsschlüssel ist unfair, die Bauern bekommen am Ende doch nur 12 Prozent mehr.

Verschüttet: Die Lidl-Fair-Milch. Bild: olga po go re lo va – Lizenz: CC-BY

Der Blick gleitet über schneebedeckte Berge, klare Gebirgsbäche und, ja, da röhrt auch ein prächtiger Hirsch seinen feuchten Atem in die Luft. "Wir hier in Bayern haben unseren eigenen Willen", sagt eine sonore Stimme in diesem Fernsehspot. Und auch eine eigene Milch. Marke: "Ein gutes Stück Heimat", die "von bayerischen Kühen, von bayerischen Bauern, von bayerischen Molkereien" komme. Klingt nach Viktualienmarkt - gibts aber "nur bei Lidl", wie der Sprecher am Ende des Spots verrät.

Seit Anfang des Jahres verkauft Deutschlands zweitgrößter Discounter in seinen 450 bayerischen Filialen Trinkmilch, Butter, Käse und Quark der Regionalmarke. Offensiv wirbt das Unternehmen damit, dass die von einem ruinösen Preisverfall gebeutelten Bauern für die Produktlinie mit dem Kürzel EGSH mehr Geld bekämen. Im Gegenzug verbannen die Landwirte zum Beispiel gentechnisch verändertes Futter aus dem Trog. Dabei stand der Discounter bisher nur für anonyme Massenprodukte, bei denen Herkunft und Produktionsbedingungen nichts und niedrige Preise alles waren. Nun erwägt die Kette, das Projekt auch auf andere Regionen auszuweiten. Wird jetzt alles gut bei Lidl?

Keineswegs. Denn die Molkereien zahlen den EGSH-Bauern zwar etwas mehr als normalerweise, aber noch lange nicht genug, um deren Kosten zu decken. Der an dem Programm teilnehmende Landwirt Xaver Hurler aus Fronhofen bei Augsburg erzählt der taz, er habe für das erste Vierteljahr nur zirka 30 Cent pro Kilogramm Milch bekommen. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) rechnet vor, dass die Landwirte im Schnitt mindestens 40 Cent benötigten. "Der Aufschlag für die Lidl-Milch ist besser als nichts", meint Hurler. Den Zuschlag auf den marktüblichen Grundpreis beziffert der Landwirt auf 3,08 Cent pro Kilo. Das entspricht einem Bonus von rund 12 Prozent. Lidl äußert sich nicht zu den Zahlen; sie werden aber durch einen Bericht des Fachblatts Lebensmittel Zeitung bestätigt.

Von den Verbrauchern verlangt der Discounter jedoch einen viel höheren Aufschlag: Ein Liter "Ein gutes Stück Heimat"-H-Vollmilch kostete vergangene Woche 99 Cent - im Vergleich zu Lidls Standardmarke "Milbona" ein Plus von 83 Prozent oder 45 Cent.

BDM-Sprecher Hans Foldenauer findet es ungerecht, dass von dem hohen Prozentaufschlag für die Verbraucher ein derart geringer Teil bei den Lidl-Bauern ankommt. "Das ist nicht richtig. Das ist ein Fehler im System. Und deshalb stehen wir solchen Programmen auch skeptisch gegenüber", sagt er. Sabine Schuster-Woldan von der Verbraucherzentrale Bayern ergänzt: "Das steht für den Verbraucher in keinem Verhältnis, wenn er so einen Aufpreis zahlt und so wenig beim einzelnen Bauern hängen bleibt."

Lidl weist die Vorwürfe zurück. "Der Aufschlag, den die Landwirte hier erzielen können, ist unmittelbar an das Volumen gekoppelt, das wir mit dem neuen Molkereiprodukte-Sortiment ,Ein gutes Stück Heimat' in den Lidl-Filialen verkaufen können", erklärt die Firma. Aus den Angaben des Unternehmens geht hervor, dass Lidl pro Liter 15 Cent extra an die Molkereien zahlt, was netto knapp der Hälfte des Mehrpreises entspricht, den die Verbraucher zahlen. Dass beim einzelnen Bauern noch weit weniger ankommt, liegt daran, dass der Discounter zu viele Bauern auf die EGSH-Regeln verpflichtet hat. Sie liefern mehr Milch, als er zum EGSH-Preis verkaufen kann. Dennoch legen die Molkereien den Bonus auf die gesamte Milchmenge aller Teilnehmer des Programms um - so bleiben für Hurler am Ende nur 3,08 Cent zusätzlich.

BDM-Sprecher Foldenauer sagt dazu: "Wenn dem Discounter die regionale und faire Milch wirklich so wichtig ist, muss er sie eben noch besser im Laden positionieren oder vielleicht sogar die andere Milch nicht mehr anbieten." Dann würde der Absatz der gerechter bezahlten Milch schon steigen. Außerdem findet er, dass nicht die Bauern, sondern Lidl dafür zahlen sollte, wenn das Unternehmen zu viele Teilnehmer für das Programm rekrutiert.

Kathrin Hartmann, die in ihrem Buch "Ende der Märchenstunde" das Geschäft mit angeblich umweltfreundlichem und fairem Konsum kritisiert, kann EGSH sowieso nicht überzeugen. "Ich würde auch jetzt niemandem empfehlen, zu Lidl zu gehen", sagt die Autorin. "Lidl will mit einer weiteren guten Marke das Image ein bisschen zurechtrücken." So, wie es die Kette ja schon mit ihren Bio- und Fair-Trade-Produkten versucht habe. "Mit dem Kauf solcher Produkte unterstützt man einen Laden, dessen schädliches Kerngeschäft sich nicht ändert." Denn den Großteil seines Geldes verdiene Lidl weiter mit Billigpreisen.

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11 Kommentare

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  • EA
    Enzo Aduro

    Wenn man für etwas banales wie Milch schon Fernsehspots schalten muss, dann ist klar das für die Erzeuger nichts übrig bleibt.

     

    Die Landwirte müssen endlich verstehen das es zuviele von ihnen gibt. Es müssen einfach welche pleite gehen bis der Preis wieder stimmt. Wer mit seinen 20 Kühen auf einem Hügel hockt kann kein Geld verdienen. Wenn man die Marktwirtschaft außer kraft setzt kommt es eben zu solchen seltsamen folgen.

     

    Wieso kritisiert die taz das Deutschland strom exportiert und nicht das wir Milch exportieren? Die Produktion muss runtergefahren werden. Und dazu dienen Niedrigpreisphasen.

     

    Es gab mal in Deutschland über 100 Automobilhersteller. Heute gibt es 5. Fünf. Und zwei davon gehören zu US-Konzernen. Also 3. Drei. Wo war die taz und hat um das "Autoherstellersterben" getrauert?

     

    Abgesehen davon pupsen die Kühe unsere Welt kaputt.

  • A
    Aufrechtgehn

    Für mich stellt Lidl ja nun auch grundsätzlich das personifizierte Böse dar und ich boykottiere diese Kette, aber wenn man sich den Artikel mal durchliest, scheitert das System ja nicht an Lidl, sonder vor allem daran, dass nicht genügend Verbraucher bereit sind, einen angemessenen Preis für das Lebensmittel zu zahlen.

    Nun wird der Umsatz der "fairen" Milch ja nach diesem Artikel noch weiter sinken, weil sich die bisherigen Käufer verarscht vorkommen müssen und die bisherigen Nicht-Käufer sich in ihrem billig-ist-geil-Einkaufsverhalten ja erst recht bestätigt fühlen ("ist ja eh alles Betrug").

    Letzten Endes ist diese Geschichte für mich die Bestätigung, dass man besser gleich Bio kauft - zumal Bio-Milch ja auch nicht teurer ist, als die hier für die "faire" konventionelle Milch genannten Preise. Da tut man dann nicht nur dem Bauern was Gutes, sondern auch sich.

  • G
    Gutmensch

    Was für eine Erkenntnis... mit dem Öko-Label wird betrogen.

     

    Wer hätte das gedacht...zum Glück steht es in der TAZ.

  • LH
    Lars Hollerbach / PETA Deutschland e.V.

    Wer denkt an die Kühe?

    Aus Sicht der Kühe gibt es keine „faire Milch“. Denn die gesamte Milchindustrie ist ein krankes System, das auf der gnadenlosen Ausbeutung von Kühen basiert und demnach keine Zukunft haben kann. Eine gesunde und zukunftsweisende Landwirtschaft baut auf pflanzliche Milch-Alternativen: Hafermilch, Reismilch, Mandelmilch, Sojamilch. Hier sollte eine von den Agrarministern geforderte Hilfe der EU ansetzen: Förderung von Umstellungsbetrieben auf vegane Produktion. Die enorme Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen kann man heute in jedem Supermarktregal sehen.

    Alle reden von der Milch, kaum einer denkt an das Recht der Kühe auf unversehrtes Leben. Wie es auf Milchviehbetrieben zu gehen kann, beweist die neueste Undercover-Enthüllung von PETA USA über einen der größten Milchproduzenten der USA, der ebenfalls im globalisierten Milchmarktgeschäft mitmischt. Der Konsument hat die Macht, sich gegen die von langer Lobby-Hand gepuschte Nachfrage an Milchprodukten zu wehren. Keiner würde sein Haustier derart grausam ausbeuten, wie wir es gedankenlos bei den Kühen tun. Mitgefühl, Verantwortung und persönliche Entscheidung sind gefragt!

    Lars Hollerbach / PETA Deutschland e.V.

  • Z
    Zensor

    Warum gehen eigentlich bei der Taz so viele Kommentare verloren? Passiert das nur mir? Bin ich jetzt auf der Zensurliste? Irgendwie nicht schön.

  • MF
    Max Frisch

    Sind denn die Bauern fair? Ich wohne auf dem Land und weiß wie es da zugeht. 90% der Kühe stehen 24/7 angebunden auf demselben Fleck, mit künstlichem Licht, von vorn das Futter und von hinten die Melkmaschine. Wir bekommen dann die Stresshormone, Folgen des Licht- und Bewegungsmangels usw. über die Milch ab. Und das betrifft nicht nur Großbetriebe, auch die Kleinbauern machen das so, schließlich hat man ja über Jahrzehnte optimiert und rationalisiert. 1 Bauer, ab und zu seine Frau und viele lärmende und stinkende Maschinen bewirtschften heute Dutzende von Kühen.

     

    Da vergehts mir mit "fair". Für mich gilt nur "Bio", wenigstens EU-Bio-Siegel, dann gelten wenigstens Mindeststandards für das Halten der Tiere.

     

    Milchprodukte von oben beschriebenen Kühen möchte ich nicht haben, auch wenn sie frisch zentrifugiert sind.

     

    Man kann auch hier mal lesen: http://www.milchlos.de/milos_0600.htm

  • GK
    Georg Keckl

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    dieser Kommentar ist ein gutes Beispiel für eine von der Ideologie bestimmte Sichtweise auf die Dinge. Sie können in dem Artikel die Lidl – Milch eins zu eins durch die „Faire Milch“ des BDM ersetzen, das läuft kaufmännisch für die Bauern nicht anders und es kommt ungefähr das gleiche Milchgeld für die Bauern heraus. Auch die Faire Milch kostet 89 (1,8%) und 99 Cents/l, rund 40 Cents mehr als No-Name Milch. Die Bauern bekamen dafür im März rund 14 Cents mehr als die südbayerischen Molkereien im Schnitt auszahlten (siehe to-agrar Milchpreisbarometer für Bayern). Die Lidl-Bauern bekamen 15 Cents mehr für ihre „Normal-Milch, wie Sie melden. Auch die teilnehmenden Milchbauern bei der „Fairen Milch“ bekommen nur anteilig 40 Cents pro kg Rohmilch – eben für den Anteil, der als Faire Milch verkauft werden kann. Das wird zwar anders kommuniziert, ist aber so. Nehmen Sie die ideologische Brille ab und kucken sie auf die Zahlen, nicht auf die manipulativen Versprechen. Für die Mehrzahl ihrer Milch bekommen die Lieferanten der Fairen Milch einen Preis, der am italienischen Spotmilchmarkt ausgerichtet ist. Der Großteil der Milch der Bauern, die bei der „Fairen Milch“ mitmachen, wird nach Italien gefahren. Nun zu meinem Vorwurf: Würde Sie je die „Faire Milch“ so kritisieren wie hier die „Heimatmilch“ von Lidl? Auch die MVS nimmt zusätzlich Milchbauern auf, aktuell welche aus dem Vogelsberg, obwohl sie erst bei 30% Absatzvolumen ihrer eingesammelten Milch für die Faire Milch ist. Wenn Sie Lidl kritisieren, kritisieren Sie auch die Lidl-Kunden. Wollen Sie den Leuten vorschreiben, wo und was sie einkaufen wollen? Die Kritik an Lidl ist scheinheilig und die, die Lidl am meisten kritisieren, würden mit Handkuss bei Lidl verkaufen, wenn Lidl sie nehmen würde.

     

    Grüße aus Hannover: Georg Keckl

  • H
    Hannes

    Von Fairnes lässt sich angesichts der immensen Subventionen in der Landwirtschaft ohnehin nicht reden. Mich wundert vielmehr, daß dem 1998 gegründete Bundesverband Deutscher Milchviehhalter kein besserer Name inklusive Abkürzung eingefallen ist.

  • H
    Huabasepp

    Das Spiel geht jetzt schon seit 30, 40 Jahren so, warum soll das plötzlich anders sein?

    Die Bauern werden leider nicht klüger. Immerhin sind sie durch den Bauernverband vertreten, aber der verrät die Kleinen und sorgt nur für die Großen, und das auch schon seit Ewigkeiten. Die Subventionsveröffentlichungen sind ja neu.

     

    Früher haben die konventionellen über die Biobauern gelästert, aber seit klar ist, wie gut die Ökis ihre eigenen Strukturen aufgebaut haben, ist das anders.

    Jetzt geht es den Ökobauern genauso wie den konventionellen: Sie müssen gegen geballte Marktmacht kämpfen.

    Ich finde, die Kleinbauern sollten sich endlich mit den Biobauern zusammentun.

  • LI
    lidl ist toll

    Warum ist am 1 Mai nicht mal EIN Lidl in die Luft geflogen...?? stattdessen haben ne Handvoll brauner vollidioten ein ganzes Volk lahm gelegt...

    hätte ich nur ein bischen mehr schneid mal selber den Stein in die Hand zu nehmen, würde ich beim i-Punkt vom Lidl Schriftzug, durch die scheibe ins Kühlregal werfen...

     

    Prost!

  • A
    avelon

    Wer kann auch als VerbraucherIn anderes erwarten?

     

    Wir wissen doch inzwischen hoffentlich alle, daß der Besch*** am Volk und produktiven Bauern und Landwirten Gang und Gebe ist.

     

    Schade, daß wir nicht alle auf dem Lande leben duerfen, dort, wo es noch frisch zentrifugierte Milch vom Nachbarn zu haben ist.