Lichtfestival "Berlin leuchtet": „Auch Kitsch kann schön sein“
Gleich zwei Lichtfestivals illuminieren im Oktober die Hauptstadt. Konkurrenz gebe es keine, sagt Andreas Boehlke vom Verein „Berlin leuchtet“.
taz: Herr Boehlke, wie gefällt Ihnen Berlin bei Nacht?
Andreas Boehlke: Oh, man könnte viel ändern, einiges ist zu schreiend laut, zu hell beleuchtet – nur unterbelichtet ist nichts.
Jetzt wird es noch heller: Heute startet Ihr „Berlin leuchtet“, am 9. Oktober beginnt das „Festival of Lights“. Wieso braucht Berlin zwei Lichtfestivals zeitgleich?
Das ist bei der Fashion Week oder der Berlinale doch auch so: Es gibt Parallelveranstaltungen, aber man kommt sich nicht in die Quere. Es gibt bei uns keine Konkurrenz.
Und wie können die Leute die beiden unterscheiden?
Ach, das ist gar nicht wichtig. Auf unseren Stadtplänen sind auch beide eingezeichnet.
Der 1966 geborene Lichtdesigner veranstaltete bis 2009 das "Festival of Lights". 2013 gründete er "Berlin leuchtet".
Gab es keinen Wettstreit um die Wahrzeichen?
Man hat sich geeinigt, die einen machen den Gendarmenmarkt, die anderen das Brandenburger Tor. Ist doch auch egal. Es wäre nur schade, wenn ein Gebäude nicht angestrahlt würde. Und ich habe im Laufe der Jahre sowieso schon alles in Berlin beleuchtet.
Sie haben das „Festival of Lights“ mit initiiert, waren bis 2009 Veranstalter. Wieso sind Sie ausgestiegen?
Von aussteigen kann keine Rede sein. Ich bin frei, ich gehöre ja nicht dem „Festival of Lights“. Die Idee mit dem Verein gibt es schon lange. Ja, „Berlin leuchtet“ trägt meine Handschrift, aber jeder kann sich einbringen. Wir fragen uns: Was schafft man, indem man die Ärmel hochkrempelt? Und eben nicht: Was kostet was? Es müssen nicht immer Gelder fließen.
Wie finanzieren Sie sich denn?
Wir haben Sponsoren, die uns unterstützen, ganz transparent.
Und was verdienen Sie damit?
Nichts, noch nie! In den ersten Jahren habe ich beim Lichterfest viel Geld investiert. Mir war klar: Das bekomme ich nicht zurück, in der Stadt kann man ja keinen Eintritt verlangen. Ich mache das, weil ich Spaß daran habe, die Stadt zum Leuchten zu bringen. Das Festival ist meine Visitenkarte. Mein Geld verdiene ich mit Messebeleuchtung.
Dieses Mal ist auch Abseitiges dabei, etwa das Kammergericht. Wie leuchten Sie das an?
Weiß, damit die Säulen und die Gänge richtig rauskommen. Von rechts und links setzen wir farbiges Licht ein, Rot, Grün, einen Farbverlauf, mal sehen. Und die vier Bäume, die auf der Achse stehen, werden grün.
Wieso denn das?
Ist doch schön, im Oktober noch mal grüne Bäume zu sehen.
Und zum Planen stellen Sie sich nachts zwei Stunden vor die Bauwerke, oder wie?
Ich gehe tags und nachts hin, mache Aufnahmen, überlege etwa, ob die Straßenlaternen zu viel Streulicht verursachen. Und ehrlich: Ich bin seit 30 Jahren im Geschäft, ich habe im Gefühl, was gut aussieht, wann etwas von rechts oder links angestrahlt werden muss.
Sie illuminieren vor allem Touristenorte wie den Potsdamer Platz oder Gendarmenmarkt. Was haben Berliner davon?
Viel. Die können sich an der Helligkeit erfreuen. Und ihre Stadt neu kennenlernen. So wie 2004, als wir den Funkturm mit blauen Lichtstangen neu ausgeleuchtet haben – da haben die Berliner auf einmal dieses Bauwerk wieder wahrgenommen. Das gleiche ist gerade in der Bleibtreustraße passiert: Die Brücke hat eine neue Beleuchtung bekommen, nun wird sie wieder beachtet.
Sie leuchten 70 Gebäude aus, haben 25 Kilometer Kabel verlegt. Wer zahlt den Strom?
Die Anrainer und Eigentümer der Gebäude.
Und alles schön mit Energiesparlampen ausgestattet?
Ja, mit LEDs und Ökostrom. Mittlerweile können wir mit geringem Stromverbrauch sehr viel erreichen. Die Technik ist besser als in den Anfangsjahren.
Anders als damals dominieren nun Laser und Bildprojektionen. Keine Angst vor Kitsch?
Kitschige Beleuchtung kann schön sein – wenn’s richtig gemacht ist. Aber unser Licht ist ist immer im Einklang mit den Orten. Kitsch geht gar nicht bei Häusern mit Geschichte wie etwa dem Bundesrat. Es ist uns wichtig, die Ehre eines Gebäudes nicht zu verletzen.
Wann zieht man am besten los?
Es muss richtig dunkel sein.
Na, das klappt bei dieser Leuchtorgie wohl kaum.
Doch, darauf haben wir bei den Sichtachsen geachtet. Und dafür gesorgt, dass alles drumherum ausgeschaltet wird und die Straßenlaternen gedimmt werden. Die Dunkelheit ist wichtig, um etwas zu sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen