Libyen-Konferenz in Berlin: Protest und Jubel wegen Erdoğan

Am Rande der Libyen-Konferenz nimmt der türkische Präsident ein Bad in der Menge und geht den demonstrierenden Kurden aus Weg.

Libyen-Konferenz in Berlin: Erdoğan-Gegner heißen ihren Feind mit kurdischen Fahnen und Spruchbändern gar nicht willkommen

Libyen-Konferenz in Berlin: Erdoğan-Gegner heißen ihren Feind nicht willkommen Foto: Reuters/Christian Mang

Das Ritz Carlton am Potsdamer Platz gleicht einer Festung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ist dort abgestiegen. Im Regierungsviertel sieht es nicht anders aus: Absperrgitter, Polizeiwagen, Räumfahrzeuge der Bundespolizei, davor mit Maschinenpistolen bewaffnete Polizisten, auf den Dächern Scharfschützen. Rund 4.500 Polizisten sind am Sonntag in Berlin im Einsatz, um die im Bundeskanzleramt stattfindende Libyen-­Konferenz zu sichern.

Am Potsdamer Platz haben sich rund 200 Erdoğan-Anhänger versammelt. Sie schwenken die rote türkische Nationalflagge mit weißem Halbmond und Stern. Auffällig viele Frauen, fast alle tragen ein Kopftuch, sind darunter; auch Kinder springen herum. Alle wirken wie im Fieberrausch. Warum sie da sind? „Weil wir Erdoğan lieben“, sagt eine Frau und strahlt. „Wir wollen ihn begrüßen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Spitzenvertreter aus Russland, China, Großbritannien und anderen Ländern zur Libyen-Konferenz geladen, um über die Beendigung der Eskalation in dem nordafrikanischen Land zu beraten. Auch Erdoğan gehört zu den Geladenen. Umgeben von Bodyguards, verlässt er am Sonntag kurz nach 12 Uhr in dunklem Mantel und weinrotem Schal das Ritz Carlton.

Statt in die wartende Limousine zu steigen, steuert er seine Fans an. Die geraten in Ekstase, klettern über die Absperrgitter und stürmen auf Erdoğan zu. „Führer“ und „Wir lieben dich“, rufen sie auf Türkisch. Erdoğan, gleichfalls die Absperrungen der Berliner Polizei ignorierend, genießt das Bad in der Menge sichtlich. Die Polizisten schauen ratlos zu und lassen die Leute gewähren.

Von Leibwächtern umringt

Zwei Frauen, die sich als Freundinnen der kurdischen Community bezeichnen und die Szene aus der Distanz verfolgen, sind fassungslos. „Der kommt sogar noch raus aus der Absperrung. Wo sind wir hier?“, fragt die eine kopfschüttelnd. „Deutschland, schäme dich“, sagt die andere. So sei das alles nicht geplant gewesen, räumt einer der vor Ort eingesetzten Polizisten auf Nachfrage der taz ein. Aber er würde sich hüten, einen Diplomaten zu reglementieren, der zudem noch von seinen Leibwächtern umringt sei.

Libyen-Konferenz in Berlin: Erdoğan-Fans mit Türkeifahnen begrüßen ihr Idol

Libyen-Konferenz in Berlin: Erdoğan-Fans begrüßen ihr Idol Foto: Reuters/Christian Mang

Die kurdischen Organisationen demonstrieren am Sonntag zeitgleich am Kanzleramt. Mehrere Hundert Menschen mit kurdischen Fahnen haben sich auf den Wiesen versammelt. Sie trommeln und singen gegen Erdoğan. Doch der bekommt von alldem nichts mit. Sein Konvoi steuert das Kanzleramt von der anderen Seite an. Die vorbeifahrenden Limousinen sind leer. Auch die Presse macht sich rar.

Die feurige Rede des kurdischen Linkenpolitikers Hakan Taş, der Erdoğan einen ­Terrorpaten und Diktator heißt, geht somit ins Leere: Es sei unverständlich, dass Merkel den Kriegstreiber Erdoğan zu einer Friedenskonferenz eingeladen habe, sagt Taş. „Wir werden ihm zeigen, dass er in unserer Stadt Berlin nicht willkommen ist.“ Leider sei man von der Polizei nicht darüber unterrichtet worden, dass Erdoğan am Potsdamer Platz auftauchen werde.

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