: Liberal, christlich und wenig links
■ Die Regierungserklärung des Mitte-links-Bündnisses in Italien findet breite Zustimmung. Viele Fragen bleiben offen
Rom (taz) – Der italienische Senat hat gestern über die Regierungserklärung von Ministerpräsident Romano Prodi debattiert. Politische Anhänger Prodis und seines Mitte-links-Bündnisses unterstützten in der Senatsdebatte das am Vortag verkündete Programm der neuen Regierung. Prodi hatte versprochen, gegen das hohe Haushaltsdefizit, die Arbeitslosigkeit und die Inflation vorzugehen und Italien in die Europäische Währungsunion zu führen. Gegner der konservativen Opposition bemängelten dagegen den Willen der Regierung, tiefgreifende Reformen durchzuführen, die Bürokratie abzubauen und die Privatisierung von Staatsbetrieben zu beschleunigen.
Die weitgehende Zustimmung, die Prodis Regierungserklärung gestern bei Presse, Wirtschaft und Gewerkschaften gefunden hatte, rührt vor allem daher, daß Prodi faktisch nirgendwo konkret wurde. Wo er es dennoch wurde, handelte es sich um die Auflistung der Defizite, die er bei seinem Amtsantritt vorgefunden hat.
Wie, in welchem Ausmaß und mit welchen Mitteln Prodi die italienische Gesellschaft, die Administration, die Wirtschaft reformieren will, blieb nebulös. Alles soll künftig liberal sein, aber auch „zutiefst christlich geprägt“, die Armen sollen entlastet, aber auch die Reichen nicht geschröpft werden. Offen ließ Prodi auch, wie die römische Administration die Funktion des Zentralstaates weiter aufrechterhalten will, wenn der Regionalismus ihr die ohnehin schon sehr verknappten Mittel weiter beschneidet.
Romano Prodi hatte erklärt, er orientiere sich „uneingeschränkt an den Wahlaussagen unseres Mitte-links-Bündnisses ,Olivenbaum‘“. Über die Neokommunisten, deren Zustimmung Prodi für die Regierungsfähigkeit braucht, ließ der neue Ministerpräsident nur ein paar Sätze fallen. Er beschränkte sich dabei auf die Feststellung „mancher Punkte, in denen wir nicht einig sind“. Auffallend jedoch, daß Prodi das Wort „comunista“ bei der Nennung seiner „externen Partner“ ängstlich zu vermeiden suchte. Er nannte die Neokommunisten ausschließlich „Rifondazione“, Neugründung. Dem Wahlerfolg der sezessionstischen Lega Nord suchte er durch eine Art Doppelstrategie zu begegnen. Sie artikuliere „ein legitimes Bedürfnis nach mehr Autonomie“, setze jedoch – mit dem Sezessionismus – „auf die falsche Karte“: „Die Nation bleibt unteilbar; der Staat jedoch kann reformiert werden.“
Die Vertrauensabstimmung über die 55. italienische Nachkriegsregierung wird heute erwartet. Eine Mehrheit für die Mitte- links-Regierung gilt im Senat als wahrscheinlich. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen