Leverkusen in der Champions League: In diesem Leben wohl nicht mehr
Im Prinzip war es gar nicht so schlimm. Doch nach der Niederlage gegen Barcelona erklärt der Filigranpädagoge Robin Dutt seinen Spielern, wo sie wirklich stehen.
Meldungen über Verzweiflung, gar Depression aus der Leverkusener Kabine sind nicht überliefert. Das 1:3 gegen den großen, wiewohl zuletzt in der spanischen Liga schwächelnden FC Barcelona im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League war schnell abgehakt, alle Träume von der nächsten Runde sowieso.
Bayer-Trainer Robin Dutt fasste die große Vergeblichkeit so zusammen: "Spielst du defensiv, sieht es langweilig aus, und du kommst nie nach vorne, weil du bei der Balleroberung schon auf Puls 200 bist." Das war Halbzeit 1. "Spielst du offensiver, haben alle mehr Spaß auf dem Platz. Ich auch. Aber auch Barcelona." Das war Halbzeit 2.
Dennoch gab es Sieger bei Bayer. Verteidiger Michal Kadlec zum Beispiel. Der hatte, sehr überraschend, trotz einer Abseitsstellung in der Vorbereitung den zwischenzeitlichen Ausgleich (52.) erzielt. Und sich in der Nachspielzeit besonders intensiv um Nähe zu Zauberfuß Lionel Messi bemüht, so dass er mit dem Schlusspfiff umgehend dessen blasstürkise Trikotage abstauben konnte. Tor und Trikot – "ein Traum", sagte er nachher.
Kollege Gonzalo Castro verweigerte textile Eifersucht und verwies strategisch auf den 7. März: "Es gibt ja noch ein Rückspiel!" Daniel Schwaab konnte sein messi-anisches Erlebnis schon auf dem Platz genießen: Der Argentinier hatte den Werkselfer im Strafraum nach Körpertäuschung getunnelt und den Ball an den Pfosten gelupft. Danach sah man Schwaab und Messi für einen Moment gemeinsam miteinander grinsen – ein Bild für des Verteidigers Poesiealbum.
Bayer hatte zunächst alles Defensivblut aufgeboten, was der Kader hergibt. Taktik: Vierfachsechs vor der Abwehr. Ergebnis: 78 Prozent Ballbesitz für den Gegner. Genau genommen nahm der Bundesliga-Sechste sogar an Barcas atem(be)raubendem Kurzpassspiel teil, nur halt im Parallellaufen und ohne Ball. Symbolisch schon der Beginn des Spiels: Leverkusen freute sich nach 73 Sekunden über die erste Ballberührung, nach 1:56 über den ersten sogar Ballbesitz. Der wurde vom Leverkusener Operettenpublikum genauso bejubelt wie später simple Befreiungsschläge.
Das wäre sogar fast bis zur Pause sogar gut gegangen. Erst Messis so wunderbar leichtfüßiger Pass hebelte alle taktische Hasenherzigkeit aus, Sanchez traf (41.). Trainer Robin Dutt nahm den Anschauungsunterricht als Lernstunde: "Die komplette technische Differenz zu den Barça-Spielern aufzuholen, wird in diesem Leben für jeden Spieler schwer. Und diese unglaubliche Handlungsgeschwindigkeit, das Gegenpressen" – das beeindrucke jeden und sei hoffentlich lehrreich. "Wir können das nur momentweise. Das gilt es auszubauen."
Defensivschwächen offenkundig
Mit etwas mehr Mut in Durchgang 2 waren Barcelonas Defensivschwächen offenkundig. "Rund um den eigenen Strafraum wollen sie gar nicht sein", bemerkte Dutt treffend. Bayers Castro traf nach dem zweiten Tor des Chilenen Sanchez sogar noch mal krachend den Pfosten.
Aber jetzt hatte Lionel Messi Konterplatz, und er allein zerlegte die lahmende Bayer-Abwehr mit seinen Sprints, Finten, Filigranpässen und dieser schieren Leichtigkeit, dass die Augen vom Zusehen lachen. Stefan Reinartz fiel auf, der Messi stehe "oft so bedröppelt teilnahmslos wie ein Junge" herum, und sei im nächsten Moment wie explodiert schon ganz woanders. Kurz vor Schluss veredelte der dreifache Weltfußballer seine Gala persönlich zum 1:3.
Barcelonas Coach Pep Guardiola analysierte eisern das Spiel der Seinen ("Wir mussten erst mal mit den Tugenden des Gegners klarkommen"), erst beim Stichwort Messi umspielte kurz ein entrücktes Lächeln die kontrollierten Gesichtszüge. Und er schenkte den Spaniern Stoff für viele Debatten, warum neben dem verletzten Xavi auch Pique nicht im Aufgebot war: "Er war vier Jahre unantastbar. So ist das eben. Aber er wird wieder kommen."
Michael Ballack kennt das. Der wadenverletzte Exstar verpasste am Dienstagabend womöglich seine letzte Chance, bei einem großen Spiel an der Seitenlinie warmlaufend dem großen Fußball und vor allem dem großen Messi nah zu sein. Gleichwohl will er bis zum Rückspiel fit sein. Vielleicht bekommt er das Gnadenbrot eines mehrsekündigen Kurzeinsatzes. Und sogar Messis Unterhemd.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?