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Leute, Pötte, Blicke

„Wo'n Wort noch'n Wort ist“: Jörg Otto Meier erzählt mit Fotografien von Menschen im Hafen  ■ Von Volker Stahl

Zwischen riesigen Containerburgen surren wie von unbekannter Hand gelenkte hochbeinige Hebefahrzeuge, überdimensionalen Ameisen gleich, geschäftig hin- und her. Wer heute an den Hamburger Hafen denkt, der hat eher ein Bild von technischer Funktionalität vor Augen, als schwitzende Arbeiter, die Stückgut auf die Schiffe hieven. Für den Fotografen Jörg Otto Meier aber stehen immer noch noch die Menschen im Mittelpunkt. Er portraitierte Lotsen, Kapitäne und Gelegenheitsarbeiter zwischen Fischmarkt, Waltershof und der Veddel.

„Zum Spazierengehen ist das Hafengebiet meine Lieblingsroute. Zum Hafen habe ich schon früh durch meinen Bruder, der zur See gefahren ist, eine innige Beziehung aufgebaut“, erzählt Meier. Bei den Exkursionen durch das wirtschaftliche Herz der Hansestadt unterhielt sich der 46jährige mit den Menschen, die er dort traf. Er zeichnete die Gespräche auf und lichtete insgesamt 55 Hamburger Originale mit seiner Hasselblad ab. Entstanden ist eine erstaunliche Sammlung Von Menschen und großen Pötten, so der Titel des sehr persönlichen Hafenbuchs.

Was Meiers Tonband aufzeichnete, ist witzig, lehrreich und bisweilen frivol. „Und ich hab zwei Tauben auf'n Hintern tätowiert. Oh Gott, das ist mir direkt unangenehm“, kokettierte beispielsweise „Käppen“ Lührs, ein 80 Jahre alter Sammler maritimer Raritäten. Und die Besitzerin einer Kaffeeklappe am Fischereihafen versuchte sich als Psychologin, die es in eine harte Männerwelt verschlagen hat: „Männer unter sich, da muß man als Frau den Mund am rechten Fleck haben, sonst geht man unter.“

Die in acht Jahren zusammengetragenen Anekdoten, kleinen Geschichten und Weisheiten sind ein Kaleidoskop des Hafen-Alltags. Die Fischbraterin, der Seemannspastor, der Vorstandsvorsitzende von Blohm + Voss, der Marktbeschicker und der Barkassenführer geben mit ihren Döntjes einen Einblick in eine Arbeitswelt, die den meisten Hamburgern oft verborgen bleibt. „Es treibt mich an, die Leute so zu zeigen, wie sie sind. Deshalb habe ich alle Gespräche im Original-Slang wiedergegeben. Die Blumigkeit der Formulierungen ist so erhalten geblieben“, sagt Paul Otto Meier. Der ehemalige Gymnasiallehrer hatte sich zuvor mit zwei Bildbänden über die Menschen auf St. Pauli einen Namen als Chronist des Alltags gemacht.

Sein aktuelles „Bilderbuch für Erwachsene“ ist die Fortsetzung seiner dokumentarischen Arbeit über Orte, wo „'n Wort noch 'n Wort“ ist.

Das Buch „Von Menschen und großen Pötten“ von Jörg Otto Meier ist im Dölling und Galitz Verlag, Hamburg, erschienen und kostet 48 Mark.

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