: Letzter Ausweg Farakhan
Eine merkwürdige Kombination: Um Unterstützung für seinen demnächst beginnenden Prozess zu gewinnen, hat sich Michael Jackson mit den Black Muslims der Nation of Islam eingelassen. Diese predigen einen militanten Separatismus und sind für ihre bizarren Ansichten bekannt
Es gibt Begegnungen, bei denen man wirklich gerne Mäuschen gewesen wäre. In Las Vegas irgendwann im Dezember soll es gewesen sein, dass Michael Jackson sich mit Louis Farakhan traf, dem Führer der Nation of Islam, einer kleinen, aber äußerst einflussreichen Sekte schwarzer Nationalisten. „Wie ein Vater“ habe Farakhan zu Jackson gesprochen, schreibt die New York Times, und anschließend hätten die beiden zusammen gebetet.
Nun ist der Umstand, dass Jackson – ein selbst erklärter Anhänger der Zeugen Jehovas – sich zum Beten mit dem militanten black muslim Farakhan trifft, an sich schon erstaunlich genug. Doch glaubt man den Berichten amerikanischer Zeitungen, dann geht die Verbindung viel weiter. Farakhans Organisation soll in den vergangenen Wochen die Kontrolle über das Leben des Superstars übernommen haben, der sich in zwei Wochen wegen des Vorwurfs des Kindesmissbrauchs vor einem kalifornischen Gericht verantworten muss.
Eine bizarre Kombination. Auf der einen Seite ein Künstler, der immer versucht hat, Festlegungen jedweder Art zu transzendieren, der sich als ein androgynes Wesen jenseits einer eindeutig erkennbaren Hautfarbe inszeniert. Auf der anderen Seite Farakhan, der für antisemitische und homophobe Äußerungen bekannt ist und einer Sekte vorsteht, die für einen militanten Separatismus steht. Die Nation of Islam glaubt, dass das Verderben der ursprünglich schwarzen Menschheit begonnen habe, als ein böser Wissenschaftler vor 6.000 Jahren die weiße Rasse entwickelt habe, die seitdem die Schwarzen versklave.
Die Nation of Islam, so heißt es zumindest in der New York Times, die sich auf Quellen aus dem Umfeld Jacksons beruft, habe die Kontrolle über die Finanzen des Sängers übernommen, organisiere seine Öffentlichkeitsarbeit und schirme ihn durch Leibwächter von seiner Umwelt ab. Jacksons Pressesprecher hat bereits gekündigt, seine Geschäftspartner – so sie öffentlich Stellung beziehen – äußern Unbehagen.
Doch so verrückt einem diese Allianz auf den ersten Blick vorkommt, sie macht durchaus Sinn. Für Farakhan, der keine Gelegenheit auslässt, sich öffentlichkeitswirksam an die Seite verfolgter Schwarzer zu stellen, ohnehin. Doch auch für Jackson, und das nicht nur, weil auch er in den vergangenen Jahren mehrmals erklärte, der Misserfolg seiner letzten Platten sei einer Verschwörung der weißen Plattenindustrie geschuldet.
In einer Situation, in der sich Jackson von Feinden umgeben sieht, glaubt er sich nur noch dort Unterstützung holen zu können, wo er sich nach wie vor bedingungslos geliebt und verstanden glaubt: in der schwarzen Community. Sich auf einer Polizeistation melden zu müssen scheint sich für ihn, der sein ganzes Leben in Kulissen zugebracht hat, so darzustellen, als stehe er damit in einer Reihe mit den zahllosen afroamerikanischen Opfern polizeilicher Übergriffe. Ob es genug Menschen gibt, die ihm das glauben, dürfte auf den Ablauf des Prozesses nicht ohne Einfluss bleiben. TOBIAS RAPP