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■ Ergebnisse des Generalstreiks in SpanienLetzte Zuckung

Der Generalstreik vom Donnerstag wird die politische Szene Spaniens kaum verändern. Allenfalls war er ein Achtungserfolg in einem ansonsten längst verlorenen Rückzugsgefecht. Gewiß gelang es den Gewerkschaftszentralen der sozialistischen Arbeiterunion UGT und der – ehemals! – kommunistischen Arbeiterkommissionen CCOO, die öffentlichen Dienste des Landes lahmzulegen. Auch in der Privatwirtschaft fand ihre Ausstandsparole mehrheitlich Gehör. Aber Kampfbegeisterung wie noch beim geradezu festlichen Generalstreik vom 14. Dezember 1988 – mitten in der Hochkonjuktur – kam diesmal nirgendwo auf. Die meisten Spanier beschränkten sich auf den Rückzug in die eigenen vier Wände und aufs teilnahmslose Zuschauen bei einer Auseinandersetzung, von der sie sich nichts mehr versprachen.

Allen Beteiligten war klar, daß der Sozialabbau über die neuen Arbeitsgesetze längst Tatsache ist, sich die Verwässerung des Kündigungsschutzes und das Unterlaufen der Mindestlöhne nicht mehr aufhalten lassen. Die Reform hat den Segen von vier Fünfteln des Parlaments wie aller wichtigen Wirtschaftspartner vom Unternehmerverband über OECD und Internationalen Währungsfonds bis zur Brüsseler Kommission. Ohne sie, war der Nation seit Monaten eingehämmert worden, verliert Spanien endgültig den Anschluß an die Zukunft. Mit entsprechender Verachtung war Premier González der Streikparole von Anfang an begegnet, und drum wird er auch jetzt keinen Millimeter zurückweichen.

Felipe González war einst politischer Zögling von UGT-Chef Nicolás Redondo, der auf dem letzten Exilkongreß von 1974 im Pariser Vorort Suresnes zu seinen Gunsten auf den sozialistischen Parteivorsitz verzichtete. Seither lebten sich die beiden immer weiter auseinander. Mit der neoliberalen Wirtschaftspolitik nach der Regierungsübernahme ab 1982 wurde ihr Zerwürfnis endgültig besiegelt. Fünf Jahre noch versuchte Redondo die nach rechts eilenden Genossen im Schosse der eigenen Partei an die alten Ideale zu erinnern. Dann gab er 1987 sein Parlamentsmandat zurück und suchte das Bündnis mit den einstigen Rivalen auf der kommunistischen Linken. Seither hat sich der Verzweiflungspakt der beiden Gewerkschaftszentralen gefestigt und der Graben zu den Sozialisten weiter vertieft. Im kommenden März werden die nächsten Kapitel dieses Trauerspiels geschrieben, wenn die UGT einen Nachfolger für den altersmüden Löwen Redondo suchen muß und sich Gonzales auf dem sozialistischen Parteikongreß der letzten Mohikaner aus der alten Linken entledigen düfte. Felipe Gonzáles, Willy Brandts iberisches Retortenbaby aus Kalter-Krieg-Zeiten, hat die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllt. Die Klassenkämpfer von einst haben unter seiner Fuchtel nichts mehr zu husten. Sozialpartnerschaft wird nach der Maxime praktiziert: Friß oder stirb! Den Strahlemann Felipe bringt allenfalls die wachsende Ungeduld der Rechten ins Wanken. Ganz gewiß nicht die eigenen Genossen. Alexander Gschwind, Madrid

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