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Letzte Wehrpflichtige einberufenStillgestanden! Wegtreten! Wegbleiben!

Die letzten Wehrpflichtigen sind noch Anfang Januar zur Bundeswehr einberufen worden. Damit naht nach 54 Jahren das Ende des Wehrdienstes.

Wieviel Pech kann man nur haben: Am 3. Januar einberufene Wehrpflichtige in einer Kaserne in Gotha. Bild: dpa

BERLIN taz | Am Montag haben die letzten Wehrpflichtigen in der Geschichte der Bundeswehr ihren Dienst aufgenommen. Die Rekruten leisten von nun an den sechsmonatigen Grundwehrdienst ab und werden am 30. Juni die Kasernen wieder verlassen. Vom 1. Juli dieses Jahres an wird die Wehrpflicht dann ausgesetzt. So sehen es die Pläne von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor.

Mit den letzten neuen Wehrpflichtigen geht in diesem Jahr eine Tradition zu Ende, die vor allem die alte Bundesrepublik Deutschland geprägt hat: Seit 1956 sollte der Pflichtdienst dafür sorgen, dass die Bundeswehr in ihrer Struktur nah an der Bevölkerung bleibt und kein "Staat im Staat" entsteht. Zu Beginn dauerte der Dienst 12 Monate. In den Sechzigerjahren wurde er zunächst auf 18 Monate verlängert - um dann wieder kürzer zu werden: In mehreren Schritten näherte er sich den aktuell geltenden sechs Monaten.

Wehrgerechtigkeit - die gleichberechtigte Rekrutierung aus einem Jahrgang - hat die Wehrpflicht schon lange nicht mehr herstellen können. Im Geburtenjahrgang 1985 waren rund 430.000 junge Männer wehrpflichtig - den Wehrdienst leisteten letztlich aber nur 67.000 junge Männer. Das sind gerade noch16 Prozent des Jahrgangs.

Nicht nur deshalb ist das nahende Ende des Dienstes für viele "ein Moment zum Feiern", wie der stellvertretende Vorsitzende der Zentralstelle Kriegsdienstverweigerung, Michael Germer, sagt. "Für diesen Moment haben wir uns lange eingesetzt", so Germer zur taz.

Der Darmstädter Pfarrer engagiert sich seit 1974 bei der Zentralstelle für die Angelegenheiten der Verweigerer. Seitdem hat sich sein Aufgabenbereich immer wieder verändert. Zwar seien die Verweigerungsverfahren im Einzelfall einfacher geworden, "aber es wurden im Laufe der Jahre dafür immer mehr". Auch sei die Hilfe immer umfangreicher geworden: "Wir haben uns zunehmend zu einer Lebensplanungsberatung gewandelt", sagt Germer.

Mit dem Wehrdienst geht zugleich die Zeit des Zivildienstes zu Ende. Auch dieser war im vergangenen Jahr auf ein halbes Jahr verkürzt worden. Zahlreiche Trägerorganisationen hatten schon damals geklagt, viel mehr als eine Einarbeitungszeit der Zivis würde gar nicht mehr abgeleistet werden können.

Als Ersatz hat Familienministerin Kristina Schröder (CDU) einen Bundesfreiwilligendienst angekündigt. Die aktuell 90.000 Zivildienstleistenden sollen durch rund 35.000 Frauen und Männer ersetzt werden, die eine Art freiwilliges soziales Jahr ableisten. Dafür stellt der Bund 350 Millionen Euro im Jahr bereit.

Für Bundeswehr, Zivildienstorganisationen und auch für die NGOs, die rund um die Dienste entstanden sind, erfordert das begonnene Jahr nun eine Neuorientierung. So auch bei der Zentralstelle Kriegsdienstverweigerung von Germer. In einigen Wochen wolle man mit den Beratungen am Ende sein, wie sich die Stelle in Zukunft präsentieren werde. Denn dann ist das Hauptziel mit der Aussetzung der Wehrpflicht erreicht.

"Wir wollen die Arbeit umgestalten", sagt Germer, "aber wie es ausgeht, können wir noch nicht sagen." Eine Möglichkeit sei, sich auf die Soldatinnen und Soldaten in Kriegseinsätzen wie Afghanistan zu konzentrieren. Denn auch die hätten "das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern".

Denn das Ende der Wehrpflicht in diesem Jahr sei ein Erfolg, so Germer. "Aber Militär und Kriege sind damit noch lange nicht weg."

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7 Kommentare

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  • Q
    Querulant

    "Kevin Kleinert:

    Kein einziges Wort darüber, was für eine sexistische Diskriminierung die Männerwehrpflicht gegenüber dem männlichen Geschlecht bedeutet(e)."

     

    Richtig. Und wenn man bei Diskussionen auf den Umstand anspricht, dass die Männerwehrpflicht die einzige im Grundgesetz verbliebene Ungleichbehandlung von Mann und Frau ist und ergo diskriminierend kommt gernde das Totschlagargument, die Frauen bekämen ja die Kinder... nicht selten von Frauen die sich für unglaublich emanzipiert halten und studieren bzw. Karriere machen und keinerlei Nachwuchs vorzuweisen haben...

  • BA
    Boje Arndt Kiesiel

    "Full Bundeswehr Jacket: "Lutschen Sie Schwänze?" - "Sir! Nein, Sir!" 12.5000 junge Männer treten am Montag an."

     

    Dies war die Bildunterschrift zu einem Foto der Printausgabe in Hamburg, mit offensichtlich Wehrpflichtigen in ziviler Kleidung und einem Ausbilder in Uniform.

     

     

    Ich bin weder Soldat noch homosexuell orientiert, aber wer ist für solche Bildunterschriften verantwortlich? Die Fotoredaktion? Der Redakteur? Der Chefredakteur? Was soll damit bezweckt werden? Vielleicht provokativer Humor um Aufmerksamkeit zu erheischen? Wäre ich auf diesem Foto zu sehen würde ich Anzeige wegen Beleidigung erstatten. Sich hinter einem Zitat aus einem älteren Antikriegsfilm, den nur eine Minderheit der Leserschaft kennen dürfte, zu verstecken, um nicht selber kreativ zu werden, das zeugt von wahrhaft hochqualitativem Journalismus. Kein Wunder, dass sich Organisationen wie Wikileaks bilden. Die Taz mutiert weiter zur Mopo der geheimen Besserwisser und ist auch noch stolz darauf, dass sie mit den geringen Abonnentenzahlen ihren Aussenseiterstatus rechtfertigt.

     

    Zitat an die Verantwortlichen: "Wer sich den Arsch verbrennt, muss auf den Blasen sitzen." - Aus den Niederlanden

  • KK
    Kevin Kleinert

    Auch hier wieder das übliche feministische Neusprech.

    Kein einziges Wort darüber, was für eine sexistische Diskriminierung die Männerwehrpflicht gegenüber dem männlichen Geschlecht bedeutet(e).

     

    Bei der TAZ scheint dieses ein regelrechtes Axiom zu sein: Benachteiligt können prinzipiell, a priori EINZIG UND ALLEINE NUR FRAUEN sein.

     

    Die Wahrnehmung der Wirklichkeit ist bei jeder Ideologie, bei jedem geschlossenen Weltbild, also auch beim Feminismus, eingeengt in dem Sinne, dass alles, was nicht ins eigene Schema passt, einfach verschwiegen wird. Der Feminismus à la TAZ ist da keine Ausnahme.

    Mit kritischem "Journalismus" hat das halt nix zu tun, mit Ideologie und Indoktrination aber sehr viel.

  • Q
    Queurlant

    Da wird mal wieder faustdick gelogen. Die Wehrpflicht ist nicht abgeschafft, sondern lediglich ausgesetzt. Wenn es den Herren da oben passt kann die Wehrplicht für Männer jeder Zeit wieder eingesetzt werden. Und die Ungleichbehandlung von Mann und Frau durch das Grundgesetz bezüglich Wehrdienst bleibt bestehen (von wegen Gleichberechtigung)!

     

    Es unserem Herrn von und zu Guttenberg nur darum die Truppe für seine Wirtschaftskriege und für den Einsatz im Inneren vorzubereiten. Denn Deutschlands Wirtschaftswachstum wird auch am Hindukusch und am Hauptbahnhof von Buxdehude verteidigt. Jetzt bald mit Berufssoldaten...

  • V
    vic

    ""Aber Militär und Kriege sind damit noch lange nicht weg.""

    Auch das ist wahr, leider.

    Mit dem Wegfall der Wehrpflicht steigt die Wahrscheinlichkeit für Kriege.

    Es melden sich ja nur noch die zur Armee, die Spaß am Militär haben.

  • T
    Thomas

    Wieso Pech? Ich habe meine Zeit beim Zivildienst genossen und würde das jederzeit wieder machen :-)

  • A
    Althaus

    Nach dem Krieg ist vor dem Krieg.

    Schaut man sich die rechtsautoritäre politische Entwicklung in vielen europäischen Ländern einschließlich der BRD an, so zeichnet sich allein daraus schon eine wachsende Kriegsgefahr ab, vor der man auf der Hut sein muß.

    Nichts ist gefährlicher, als die vorläufige Wehrpflichtaussetzung, die definitiv keine Abschaffung des Militarismus bedeutet, für einen dauerhaften Sieg der Friedensliebe zu halten. Die nationalchauvinistischen Kräfte, die sich einfach nichts Schöneres als Krieg, egal eigentlich gegen wen, vorstellen können, sind in ihrer gesellschaftlichen Verwurzelung nicht zu unterschätzen.