: Lesen und lesen lassen
In „Druckfrisch“ lebt Denis Scheck seine Leidenschaft aus – Arbeiten an der Abschaffung von Klischees – und gibt schlimmen Werken schön polemisch eins auf den Bücherrücken. Eine Schlossbegehung
AUS KÖLN MARTIN WEBER
Bücher, Bücher, Bücher. Verteilt über mehrere Räume, in Zweierreihen geparkt in meterhohen Billy-Regalen, unter größtmöglicher Berücksichtigung und gleichzeitig freigeistiger Interpretation des Alphabets sortiert.
„Machen wir doch eine kleine Schlossbegehung“, schlägt Denis Scheck vor, aktiviert nebenbei noch den Kaffee-Vollautomat und gewährt dann Einblicke, die klipp und klar machen: Der Mann liest nicht nur gern und immens viel, sondern ist auch anderen Eindrücken aufgeschlossen: Das aufgeschlagene Booklet zu „Unearthed“ verrät: Johnny Cash wird hier verstanden und verehrt: „1979 war ich den USA als Austauschschüler. Was meinen Sie, wie viel Spott ich von meinen Klassenkameraden dort über mich ergehen lassen musste, als ich erzählte, dass ich mir als 15-Jähriger Schallplatten von Cash gekauft hatte?“
Schnelle Schnitte
Heute ist Denis Scheck 39 und arbeitet hauptberuflich als Literaturredakteur beim Deutschlandfunk in Köln. Im Radio ist er regelmäßig seit 1996 zu hören, seit Februar vergangenen Jahres kann er seiner Leidenschaft für Literatur auch im Fernsehen Inhalt und Form geben. „Druckfrisch“ heißt die Sendung, in der Bücher und Autoren kundig verhandelt und flott präsentiert werden – mit Kamerafahrten à la Ballhaus und „angeschnittenen“ Köpfen, die schon mal rechts oder links aus dem Bild fallen.
Denis Scheck, Moderator und – zusammen mit Regisseur Andreas Ammer – geistiger Vater von „Druckfrisch“, relativiert die Modernismen: „So was läuft seit zwanzig Jahren bei MTV und seit zehn Jahren auf Viva. Aber für das Format einer Literatursendung sind sie neu – und im Mainstream der ARD wohl auch verblüffend. Mein Anspruch ist es, eine Sendung zu machen, die auch optisch das transportiert, was ich literarisch aufregend und spannend finde.“
Mit Uwe Timm sprach er auf einer Waldlichtung, bei Paul Auster saß er in dessen New Yorker Wohnzimmer, derweil des Autors Hund vor dem Sofa schnarchte. Und als es einmal nach Saint Tropez ging, „da haben wir in einem Parkhaus gedreht, das war eine schöne ironische Brechung.“
Sein Rund-um-die-Uhr-Engagement für Literatur – „Ich verlasse das Haus nie ohne Lektüre, und so besoffen kann ich gar nicht sein, dass ich nicht noch zehn Minuten vor dem Einschlafen lese“ – vertritt Denis Scheck mit einem rar gewordenen Enthusiasmus. „Literatur bringt mich auf Trab, und Lesen ist nichts, wo man im Ledersessel vor prasselndem Kaminfeuer sitzt, links die Pralinenschachtel, rechts der Cognacschwenker.“
Die klischeehafte Vorstellung, ein Literaturkritiker trage ein Jackett mit Lederflicken auf den Ärmeln und rauche Pfeife, ist Denis Scheck ein Gräuel. Deshalb ironisiert er sich im Vorspann von „Druckfrisch“ selbst: „Indem ich auf einer Rolltreppe fahrend lese, nehme ich den statuarischen Kritikerpapst auf die Schippe. Ich wollte den Typen mit der Rolltreppe beschleunigen, Lesen ist eine dynamische Bewegung des Geistes. Und eine Rolltreppe sieht einfach gut aus im Fernsehen.“
Gerne knöpft er sich die Spiegel-Bestsellerliste vor. Er nennt es den „populistischen Moment der Sendung“, weil Ross und Reiter genannt werden: „Das Buch von Uschi Glas ist ein dämliches Machwerk“, die Bücher mit Zitaten des Dalai Lama sind „ein Kompendium des Flachsinns mit Weisheiten, die auf Zuckertütchen und in Horoskope gehören“, und der von Elke Heidenreich hoch gelobte Paulo Coelho ist ein „Esoterik-Dealer“.
Alte Schachteln
Denis Scheck serviert noch einen Milchkaffee und muss dann, auf Elke Heidenreich angesprochen, seufzen. „Ach ja, Frau Heidenreich“, sagt er. „Anfangs haben wir uns ganz gut vertragen, aber dann hat sie etwas missverstanden. Sie glaubt, dass ich sie in einer meiner Sendungen eine alte Schachtel genannt habe. Es ging aber nur um ein Buch, dass sie in ihrer Sendung gelobt hatte, daraufhin kam es auf die Bestsellerliste und ich musste es lesen. Woraufhin ich nach der Lektüre gesagt habe, dass das ein Buch über eine alte Schachtel ist.“
Wichtig ist ihm der Zwist mit Elke H., die ihn „hysterisches Rolltreppchen-Dickerchen“ und „Tchibo-Literaturvertreter“ nannte, allerdings nicht. „Ich sehe sie auch nicht als Kollegin, weil sie eben keine Literaturkritikerin ist. Bei ihr ist Literatur ein Mittel gegen seelische Blessuren. Für mich ist Literatur nicht dazu da, um uns über unsere Seelenwehwehchen hinwegzutrösten. Ich glaube, dass Literatur uns Menschen sehr viel geben kann, aber sie darf nicht reduziert werden auf dieses therapeutische Faktum, da verlieren wir die ästhetische Dimension aus den Augen. Aber es ist Platz für beide Sendungen. Wir gehen in die Welt und Frau Heidenreich eben in ihr Herz – und von dort aus gibt sie Lesetipps.“
„Druckfrisch“, ARD, Sonntag, 23.30 Uhr