: Leise rieselt das Gift
Die Grüne Claudia Hämmerling kämpft für die Sanierung der Wannsee-Deponie und damit gegen BSR und Gesetz. Juristisch ist die Deponie eine Altlast, eine Sanierung deshalb nicht erforderlich
Claudia Hämmerling schenkt ein. Die Flüssigkeit sieht aus wie Eistee – und stinkt nach fauligem Brackwasser. Die Grünen-Sprecherin für Stadtentwicklung und Verbraucherschutz hat die Flaschen selber abgefüllt. Auf eigene Rechnung hat ihr Ressort Grundwasser unter der stillgelegten Mülldeponie Wannsee entnommen und analysieren lassen. Das hat auch der Senat schon gemacht, das erstellte Gutachten wurde aber nie veröffentlicht. Denn für den Senat ist der Hügel mit den rund 30 Millionen Kubikmetern Müll – darunter 410.000 Kubikmeter Sonderabfälle – keine Deponie, sondern eine Altlast. Damit gilt das Bodenschutzgesetz und der Müllberg muss nicht saniert werden, sondern nur gesichert.
Der Umweltmediziner und Ökotoxikologe Dr. Andreas Gies sagt über die Messungen: „Die Werte überschreiten deutlich die Werte von Altlasten und sie sind nicht harmlos.“ Allerdings würden das alle beteiligten Seiten zugeben. BSR-Sprecher Thomas Klöckner bestreitet das. Er verweist auf die Rechtslage und die Sicherungsmaßnahmen, die die BSR noch im August dieses Jahres beginnen will. Eine „Wasserhaushaltsschicht“, also Erde, soll auf einem Teil der Halde aufgeschüttet werden. So können immerhin 75 Prozent des Regenwassers aufgehalten werden – der Rest sickert weiter durch den Müll und mit dem Gift ins Grundwasser. Eine Minimallösung also. Die Trinkwasserspeicher soll die Giftbrühe allerdings erst in 150 Jahren erreichen.
In den Wasserproben haben die Umweltspezialisten Rückstände von Insektiziden, Weichmachern und Medikamenten gefunden. Die genauen Mengen wurden gar nicht erst gemessen – Grenzwerte existieren nicht. Sorgen machen den Umweltexperten vor allem hormonelle Stoffe wie Östrogene. Die Experten wollen keine Einschätzung zu den Folgen und Auswirkungen von Hormonen im Grundwasser geben – sie können es auch nicht. Dennoch warnen sie. Schließlich „kriegt man die da nicht mehr raus“, so Gies. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe bereits auf die Gefahren von Hormonen im Trinkwasser hingewiesen. Langfristig erwarten sie reduzierte Spermienzahl, Fettleibigkeit und verfrühte Geschlechtsreife bei Mensch und Tier.
Der Senat hält die Gefährdung für das Grundwasser und den nahebei gelegenen Griebnitzsee für gering. Da eine „ständige Verdünnung“ erfolge, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage, bestünde keinerlei Gefahr für die Gesundheit. Hämmerling hält dieses Argument für vollkommen falsch, schließlich könnte dann immer so argumentiert werden und „jeder Tankwart sein Altöl wegkippen und von Verdünnung sprechen.“
Hämmerling hat aber wenig Chancen für ihre Pläne. Das Durchsickern ließe sich nur per Abdichtung verhindern. Die Grünen-Parlamentarierin fordert deshalb, die Deponie abzudichten und das kontaminierte Sickerwasser abzupumpen, zu reinigen und regelmäßig zu untersuchen. Die Kosten von rund 100 Millionen Euro könnten aus den Rückstellungen, die die BSR für diese Zwecke aus den Müllgebühren gebildet hat, finanziert werden. Angesammelt haben sich mittlerweile rund 500 Millionen Euro, von denen laut Hämmerling höchstens die Hälfte wirklich benötigt würden. Die BSR will dem nicht folgen. Was ihre eigenen Sicherungsmaßnahmen kosten werden, wusste der BSR-Sprecher nicht zu sagen. Minimallösungen kosten natürlich weniger.
NICOLAI KWASNIEWSKI