Leiharbeit war nicht genug: Hire and Fire im Hafen
Der Gesamthafenbetrieb hat über Jahre hinweg Tagelöhner beschäftigt. Die Gewerkschaften schauten zu. Einige Arbeiter haben sich dagegen mit Erfolg gewehrt.
Seit Ende der 90er Jahre hebelt der Gesamthafenbetrieb (GHB) gemeinsam mit den Hafeneinzelbetrieben Arbeitnehmerschutzrechte aus. Behörden und Sozialversicherungsträger drückten beide Augen zu und die Gewerkschaften sitzen bei der GHB satzungsgemäß auf der Arbeitgeberseite. Seit dem vergangenem Sommer wehrt sich eine Reihe von Tagelöhnern vor dem Arbeitsgericht.
Den GHB gründeten die Hafenunternehmen, um mit dem stark schwankenden Arbeitsanfall zurecht zu kommen. Das Gemeinschaftsunternehmen beschäftigt rund 1.000 Hafenarbeiter fest. Aus diesem Pool können die einzelnen Hafenunternehmen bei Bedarf Personal anfordern. Ein Bundesgesetz schuf dafür den Rahmen.
Für die Beschäftigten hat die Anstellung beim Gesamthafenbetrieb den Vorteil eines festen Arbeitsverhältnisses mit Sozialversicherung, Kündigungsschutz und Urlaubsgeld. Die Unternehmen können auf qualifiziertes Personal zurückgreifen. Und sie profitieren davon, dass sich der Arbeitskräftebedarf über alle Hafenbetriebe hinweg ausgleicht: Braucht ein Betrieb gerade mehr Leute, braucht der andere vielleicht weniger.
Die Gesamthafenbetriebsgesellschaft (GHB) wurde 1950 von den Tarifparteien gegründet.
Ziel: Die Arbeitsverhältnisse im Hafen verstetigen. Die Firmen können auf einen Pool erfahrener Arbeiter zurückgreifen. Die Arbeiter erhalten Lohn, auch wenn es gerade nichts zu tun gibt.
Geschichte: Einen Vorläufer gab es schon um 1900. Die Nationalsozialisten schufen 1935 eine Zwangsmitgliedschaft. Das sollte helfen, unliebsame Arbeiter aus dem Hafen herauszuhalten.
Tarifverträge: Neben dem Rahmentarifvertrag für die deutschen Seehäfen, gelten die jeweiligen Tarifverträge der Häfen.
In den Boomjahren, als der Hafen mit zweistelligen Raten wuchs, reichte dieser Arbeitskräftepool nicht mehr. Der GHB hätte neue Leute einstellen müssen. Stattdessen beschäftigte er neben den festangestellten Leiharbeitern bis zu 300 "Unständige" - eine Art Tagelöhner. Sie helfen auf den Containerterminals, in den Packstationen, beim Löschen und Laden von Schiffen.
Nach Auffassung des GHB und der Hafenunternehmen ist das erlaubt, wenn es einen vorübergehenden Mangel an Arbeitern gibt und der GHB sie für einen Arbeitstag vermittelt. Doch von einem vorübergehenden Mangel kann keine Rede sein: Bis 2009 besetzte der GHB 40 Prozent der Schichten mit Unständigen, 2010 bis zu 35 Prozent - trotz Wirtschaftskrise und Kurzarbeit.
Die Anwältin Barbara Ede wirft dem GHB und den Unternehmen vor, sie hielten sich nicht an ihre eigene Satzung. Im Einzelfall hätten Unständige bis zu sieben Jahre wie Festangestellte gearbeitet. Rahmengesetz, Verordnung und Satzung sehen die Schaffung stetiger Arbeitsverhältnisse als vorrangig an.
Als während der Wirtschaftskrise einige Unständige immer weniger Schichten bekamen, beschlossen sie zu klagen. In der ersten Entscheidung stellte das Hamburger Arbeitsgericht am 6. Juli 2010 fest, dass für den klagenden Tagelöhner faktisch seit August 2002 ein Arbeitsverhältnis als Gesamthafenarbeiter besteht (Az. 25 Ca 66/10). Die übrigen Kläger schlossen Vergleiche.
Anfang 2011 folgte eine zweite Klagewelle gegen die Eurogate-Tochter Swop und die GHB. Inzwischen haben sieben Kläger eine Festanstellung bei Swop erreicht. GHB-Geschäftsführer Thomas Brügmann kündigte an, die Festangestellten bis Jahresende auf 1.200 aufzustocken.
Bernt Kamin-Seggewies, Arbeitnehmer-Vertreter im GHB-Vorstand und Betriebsratsvorsitzender, reagiert ärgerlich auf das Thema Unständige. Politisch hält er die Vorgehensweise immer noch für richtig. "Die juristische Bewertung mag eine andere sein", räumt er ein. Er spricht von Einstiegschancen für Leute, die sonst keine Chance hätten: "Wir haben doch bis zur Krise jahrelang 30 bis 50 Unständige eingestellt."
Doch nicht alle Gewerkschafter scheinen diese Einschätzung zu teilen. Von Gewerkschaftssekretärin Rosie Hoyer, Fachgruppe Häfen, sind auch Zweifel zu hören. "In unserem ehrenamtlichen Vorstand gab es auch Kritik", sagt sie.
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