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Archiv-Artikel

ARBEITSLOSIGKEIT: ZEITARBEITER BILDEN EINE NEUE JOB-KLASSE Leichter Aufschwung, ungleiche Chancen

Gibt es einen echten Aufschwung in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt? Hält er an? Die Antworten auf diese Frage beeinflussen die Befindlichkeiten. Und da sind die Zahlen auf den ersten Blick erfreulich: Im September gingen die Erwerbslosenzahlen erneut leicht zurück, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm im Vorjahresvergleich um knapp 200.000 Stellen zu. Auf den zweiten Blick aber ist in solcher Zuwachs sehr bescheiden, denn rein rechnerisch profitierte nicht mal jeder 20. Erwerbslose von diesem Anstieg. Mehr noch aber fällt ins Gewicht, dass sich hinter dem zarten Aufschwung strukturelle Veränderungen verbergen, die neue Klassen an Jobbern und Erwerbslosen entstehen lassen.

Ein großer Posten sind etwa die „unternehmensnahen Dienstleistungen“, wozu auch die Zeitarbeit zählt. Die Leiharbeitsjobs bieten zwar vielen Arbeitslosen eine Chance, stellen in der Regel aber immer nur recht kurze Phasen im Erwerbslauf von Jobsuchenden dar. In den USA bilden die Leiharbeiter, die „temps“, schon lange eine benachteiligte Extraklasse der Erwerbstätigen.

Unter den Erwerbslosen sind zudem neue „A-Klassen“ entstanden. So profitieren vor allem Bezieher von Arbeitslosengeld I vom Aufschwung, während die Hartz-IV-Empfänger sehr viel schlechtere Chancen haben, wieder in einen Job zu kommen. In manchen Gebieten Ostdeutschlands beklagen sich Firmen, die expandieren wollen, inzwischen über Fachkräftemangel. Die Tausende von Hartz-IV-Beziehern vor Ort, so heißt es, seien für neue Jobs schon zu lange draußen und nicht ausreichend qualifiziert. Im Osten Deutschlands ist die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt denn auch nicht gesunken, sondern sogar leicht gestiegen.

Die Arbeitslosenkurve ist also eine Messgröße mit begrenzter Aussagekraft. Nicht nur, weil im nächsten Februar, wenn die Mehrwertsteuererhöhung greift und die Außentemperaturen absacken, alles schon wieder ganz anders aussehen kann. Sondern auch, weil sie wenig aussagt über die Verteilung von Chancen. Wer aber am Aufschwung teilhaben kann und wer nicht, dass dürfte in Zukunft zu einem noch drängenderen politischen Thema werden. BARBARA DRIBBUSCH