Leichtathletik-WM in Berlin: Staatliche Privatsache

Die WM ist eigentlich ein vom Land Berlin kontrolliertes Ereignis. Bei Fragen verweist der Senat aber immer wieder auf das Berlin Organising Committee.

Hier hat ab dem 15. August das Berlin Organising Committee das Hausrecht: Das Berliner Olympiastadion. Bild: dpa

BERLIN taz | Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will der taz kein Interview zu den Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Journalisten für die Leichtathletik-Weltmeisterschaft geben. Denn erstens sei Körting in Urlaub und zweitens sei hauptsächlich die Berlin Organising Committee 2009 GmbH für die Akkreditierungen zuständig, sagt Körtings Sprecherin Nicola Rothermel. Auch sonst verweist das Land gerne auf dieses Unternehmen.

Der innenpolitische Sprecher der FDP im Abgeordnetenhaus, Björn Jotzo, nennt das eine "Flucht ins Privatrecht". Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft sei eigentlich eine staatliche Veranstaltung. Wenn der Staat sich einer privatrechtlichen Gesellschaft bediene, um seinen Aufgaben nachzukommen, dürfe er sich damit nicht zugleich seiner besonderen Verpflichtungen erledigen. Jotzo findet es schlicht "unzulässig, wie der Senat sich da verhält".

Und tatsächlich spricht viel dafür, dass die WM ein vom Land Berlin kontrolliertes Ereignis ist. Am 22. Januar 2002 hatte der Berliner Senat beschlossen, die Bewerbung für die WM zu unterstützen. Drei Tage später schrieb der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) einen Brief an Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes: "Sie können versichert sein, dass Berlin die für dieses Spitzenereignis des Weltsports erforderlichen technischen, organisatorischen und finanziellen Voraussetzungen schaffen wird."

Am 4. Dezember 2004 erhielt Berlin den Zuschlag. Für die Organisation der WM wurde die Berlin Organising Committee GmbH (BOC) gegründet. Inhaber ist der Deutsche Leichtathletik-Verband, das Land sagte die Finanzierung zu. Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender wurde der Innen- und Sportsenator - das ist derzeit Ehrhart Körting. Genau - das ist der Mann, der sich nicht gegenüber der taz äußern will.

Das Land Berlin hat 20 Millionen Euro für die Weltmeisterschaft zur Verfügung gestellt. Und es wurde immer wieder teurer als geplant: Im Jahr 2006 erhielt das BOC nicht 350.000 Euro, wie im Haushalt vorgesehen, sondern gut 620.000 Euro. Im Jahr 2007 waren es gut 550.000 Euro statt 400.000 Euro.

Die ganz große Überraschung kam Ende des Jahres 2008: Das Land musste 5,6 Millionen Euro zusätzlich zahlen, um das Olympiastadion für die Leichtathleten tauglich zu machen. Dabei war das Stadion erst zur Fußball-WM 2006 kräftig modernisiert worden. Nun sollte zusätzliches Flutlicht nachgerüstet werden, eine unterbrechungsfreie Stromversorgung und eine Be- und Entlüftungsanlage in dem unterirdischen Gang, der auf das Innenfeld führt. Warum brauchen Leichtathleten bessere Luft als Fußballspieler? Egal, das Land zahlte. Schließlich hatte es sich dazu verpflichtet.

Auch bei den Sicherheitsüberprüfungen von Journalisten kooperiert das Land Berlin eng mit der BOC GmbH. "Gemeinsam haben Landeskriminalamt, Senatsverwaltung des Innern des Landes Berlin und das BOC auf Grund der Erfahrungen der letzten Großereignisse entschieden, dass so verfahren wird", so BOC-Sprecher Stefan Thies. Die Behörden teilen dem BOC mit, ob "Erkenntnisse" über einen Journalisten vorliegen. Körtings Sprecherin: "Letztendlich ist es die Entscheidung des BOC, wie mit der Rückmeldung durch die Behörden umgegangen wird." Gemerkt? Schon wieder schiebt das Land Verantwortung auf die BOC GmbH ab.

Der Senat hat das Olympiastadion während der WM an das BOC vermietet. Die hat nun Hausrecht. Und darf bestimmen, wer reinkommt. Wenn der Staat Hausrecht hätte, könnten Journalisten sich vor dem Verwaltungsgericht reinklagen, erklärt Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes. Doch gegenüber Privaten gehe das nicht, kritisiert er: "Das ist eine negative Begleiterscheinung dieser Konstruktion."

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