Leichtathletik-EM in Barcelona: Die extreme Speerwerferin

Christina Obergföll kann den Speer weiter werfen als die meisten ihrer Konkurrentinnen. Doch gerade in wichtigen Wettbewerben gelingt ihr das nicht immer.

Christina Obergföll: "Ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen." Bild: dpa

BARCELONA taz | Im Umgang mit dem Speer ist Christina Obergföll eine Frau der Extreme. Manchmal fliegt ihr Sportgerät und fliegt und fliegt. Anschließend ist die erste Zahl auf der Anzeigentafel dann eine Sieben. 2005 war das so und 2007. Mit 70,03 und 70,20 Metern warf die Offenburgerin jeweils Europarekord.

Manchmal stürzt Obergfölls Speer aber auch ab und bohrt sich viel zu früh in den Rasen. Dann wird die 28-Jährige von Kolleginnen abgehängt, die nicht so weit werfen können wie sie, dafür aber konstanter. Der Leverkusenerin Steffi Nerius gelang das gleich zweimal bei wichtigen Großereignissen: bei der EM 2006 in Göteborg und bei der Heim-WM 2009 in Berlin.

Nerius beendete nach dem WM-Sieg im vergangenen Jahr ihre Karriere und wird ihren EM-Titel im Speerwurffinale der Frauen am Donnerstag (20.40 Uhr) in Barcelonas Olympiastadion also nicht verteidigen. Das Leverkusenerinnen-Trauma jedoch könnte weitergehen für Christina Obergföll.

Bei den deutschen Meisterschaften vor anderthalb Wochen in Braunschweig war es mit Katharina Molitor schon wieder eine Athletin von Bayer 04, die an der zweimaligen Vizeweltmeisterin Obergföll vorbeizog. "Natürlich hat mich das im ersten Moment geärgert", gesteht Obergföll, "ich war darauf programmiert, deutsche Meisterin zu werden". Sie sei aber mit der Anlage in Braunschweig nicht klargekommen, und habe diese Niederlage deshalb längst abgehakt. "Hätte es an der Form gelegen, wäre mir das länger nachgegangen."

Und bei der EM in Barcelona glückte Obergföll dann am Dienstag in der Qualifikation der Speerwerferinnen ja auch so etwas wie eine Revanche. Mit einem sauberen Wurf auf 65,05 Meter übertraf sie locker die geforderte Weite von 59,50 Metern und gelangte ins Finale. Molitor qualifizierte sich mit 59,74 Metern zwar auch souverän, aber nicht ganz so deutlich wie Obergföll, die nur von der tschechischen Weltrekordlerin Barbora Spotakowa übertroffen wurde. Diese hatte ihr im September 2008 mit 72,28 Metern auch den Europarekord abgenommen. Linda Stahl, eine weitere Leverkusenerin, kam mit 57,42 Metern über die Platzierung weiter.

Als Erfolg will Obergföll ihren locker-leichten Finaleinzug aber nicht werten. "Das spielt keine Rolle, das war nur die Quali", sagt sie. Für sie zählt allein das Vorhaben, am Donnerstag eine Medaille zu gewinnen. Ob ihr das mit 70 Metern gelingt oder mit deutlich weniger, ist Obergföll dabei herzlich egal. Natürlich wird sie an ihren 70-Meter-Würfen gemessen, natürlich wird von ihr erwartet, es wieder zu schaffen. Die Studentin legt eine Menge Nachdruck in ihre Worte, als sie sagt: "70 Meter wirft man nicht alle Tage, 70 Meter sind überdimensional."

Christina Obergföll ist oft genug von Athletinnen übertroffen worden, die nie 70 Meter geworfen haben. Deshalb ließ sie sich im letzten Jahr nervös machen, als Steffi Nerius bei der WM in Berlin gleich im ersten Versuch 67,30 Meter warf. "Da dachte ich: Das wird jetzt schwer für mich", erzählt Obergföll. Wurde es auch, die Offenburgerin kam nicht über Rang fünf hinaus. In diesem Jahr will sich Obergföll weder an ihrer Bestweite noch an anderen orientieren. Nicht an der Leverkusenerin Molitor und auch nicht an der Weltrekordlerin Spotakowa. "Ich mache mein Ding, ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen." Da ist wieder dieser Nachdruck in Obergfölls Stimme. Ihre Form sei gut, sagt sie.

Das stimuliert offenbar ihr Selbstbewusstsein, aus Obergfölls blauen Augen strahlt Zuversicht. Deshalb hat sie sich aber trotzdem keinen 70-Meter-Wurf vorgenommen, sie kennt ja inzwischen ihre eigenen Hochs und Tiefs. Obergfölls Plan ist: Wenn eine Gegnerin am Donnerstag gleich im ersten Versuch 67 Meter wirft, werde sie denken: "Gut, dann mache ich eben 67,50 Meter."

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