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Leichtathletik Der Wada-Bericht über Korruption in der IAAF und Doping im russischen Sport ist eindeutig. Doch nennenswerte Konsequenzen sind nicht zu erwartenBaron Coe verkündet: Alles wird gut

Stolperer, Bauchlandung, Absturz, reinigendes Bad: Der Zustand der Leichtathletik lässt viele Deutungen zu Foto: Pfaffenbach/reuters

von Andreas Rüttenauer

Nun gilt es also das Vertrauen in die Leichtathletik wiederherzustellen. Das ist ein Fazit der Berichte der „Unabhängigen Kommission“, die im Auftrag der Welt-Antidopingagentur Wada die Zustände in der russischen Leichtathletik und das Verhalten des Weltverbands IAAF dazu unter die Lupe genommen hat. Über das systematische Doping in der russischen Leichtathletik hat die Kommission Ende 2015 bereits einen Bericht veröffentlicht. Seit Donnerstag gibt es nun ein zweites Papier, aus dem hervorgeht, dass die IAAF ein korruptes, informelles Leitungssystem, das der langjährige Präsident Lamine Diack zusammen mit seinen beiden Söhnen Papa Massata und Halil sowie etlichen Vertrauten aufgebaut hat, widerspruchslos hingenommen hat.

Es ist eine vielleicht sogar netflixtaugliche Verbrechergeschichte um den Verkauf von Marketingrechten, die Vergabe von Großereignissen und die Vertuschung von positiven Dopingproben, organisiert von einer unersättlichen Familie, deren Oberhaupt ein gern gesehener Gast bei Staatsoberhäuptern in aller Welt war. Und es ist die traurige Geschichte von Verbandsfunktionären, die sich nicht wirklich dafür interessieren, was in dem Verein, in dem sie einen repräsentativen Posten ergattert haben, eigentlich vor sich geht.

Darüber hinaus ist es eine Geschichte, die noch lange nicht zu Ende erzählt ist. Untersucht wurde der Umgang mit den positiven Dopingproben russischer Leichtathleten, wie ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, sich von jedem Verdacht freizukaufen, wie andere Fälle verzögert oder vertuscht wurden.

Von einer „Spitze des Eisbergs“ sprach der kanadische Jurist Richard H. McLaren am Donnerstag im oberbayrischen Unterschleißheim bei der Präsentation des Berichts der Unabhängigen Kommission, der er neben dem Wada-Gründer und IOC-Mitglied Richard Pound vorsaß.

Bekannt ist, dass der türkischen Läuferin Aslı Çakır Alpteki, die das 1.500-Meter-Rennen bei den Spielen in London 2012 gewonnen hatte, das Angebot gemacht wurde, ihre positive Dopingprobe gegen Zahlung von 650.000 Euro unter den Tisch fallen zu lassen. Weitere Fälle dieser Art des Managements positiver Doping­proben würden kaum einen überraschen – außer vielleicht den ehe­dem herausragenden Mittelstreckler Sebastian Coe, im Jahr 2000 zum Baron geadelt, der im August 2015 Lamine Diack als Präsident der IAAF abgelöst hat.

Der Brite, der dem IAAF-Präsidium seit 2007 angehört, soll den heruntergekommenen Laden nun aufräumen. Er könne sich keinen besseren vorstellen, meinte Untersuchungsleiter Pound bei der Pressekonferenz am Donnerstag. Und obwohl im seinem Bericht steht, dass dem Präsidium nicht entgangen sein kann, was der Präsident so alles verbrochen hat, glaube er Coe, wenn dieser sagt, dass er von den Praktiken der Präsidentenfamilie nichts mitbekommen hat. Wie sich Coe nun an der Spitze des Verbands schlagen wird und ob vielleicht noch herauskommen wird, dass er früher gewusst hat, was seit Donnerstag bekannt ist, auch das ist Teil der IAAF-Geschichte, die die Sportwelt noch lange beschäftigen wird.

Coe will jetzt aus den Fehlern lernen, die gemacht wurden. Das sagte er nach der Präsentation des Berichts, die er Seit an Seit mit den Journalisten verfolgt hat. Was soll er auch anderes sagen? Und auch er sprach wie Pound davon, dass es Ziel sein müsse, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Im Unterschied zum immerwährenden Skandal im Weltfußballverband Fifa gehe es in der Leichtathletikaffäre nicht um eine Gruppe von Männern, die sich bereichere, sondern um die Manipulation der Wettbewerbe, so Pound.

Die Wada war einst auch gegründet worden, um dem Sport zu mehr Glaubwürdigkeit zu verhelfen. Es ist kein Wunder, wenn ihr Gründungschef Pound jetzt sagt, dass er sich eine Reinigung des Sports vorstellen kann, dass diese sogar schon bis zu dem Olympischen Spielen im Sommer in Rio de Janeiro vollzogen sein könnte. Als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees, in das demnächst auch Sebastian Coe aufgenommen werden soll, muss er den Glauben an einen dopingfreien Sport am Leben erhalten. Als Olympier kann er schlecht sagen, dass es eh keinen Sinn hat, die Leichtathletik mit den bescheidenen Mitteln des Antidopingkampf umzukrempeln.

Die Geschichte der Läufer, Springer und Werfer war schon immer eine des legalen und illegalen Menschentunings. Sie funktioniert trotz ihres andauernden Glaubwürdigkeitsproblems. Niemand denkt ernsthaft darüber nach, die Leichtathletik aus dem olympischen Programm zu eliminieren, obwohl sich genug Gründe dafür finden ließen. Aber wie geht es dann weiter? Muss dann der Radsport auch endlich mal dran glauben? Der Langlauf? Biathlon gar?

Weil das undenkbar ist, wird Russland bald schon wieder ein anerkanntes Dopinganaly­selabor betreiben. Und Sebastian Coe wird sich für eine Good-Governance-Initiative für die IAAF auf die Schulter klopfen lassen. Es wird gewiss alles unternommen werden, damit Usain Bolt am 14. August 2016 im 100-Meter-Finale der Spiele von Rio um seinen siebten Olympiasieg sprinten kann. Bis dahin wird schon alles irgendwie gut sein.

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