Lehrerstreik: „Eine Grippewelle ist schlimmer“

3.000 von 8.000 angestellten Lehrern streiken für eine gerechte Entlohnung. Prüfungen finden trozdem statt.

„Ich hab gar nicht drauf geachtet, welcher Lehrer Aufsicht macht“, sagt Ali, 15, der kurz vor Mittag vor dem Eingang des Schöneberger Robert-Blum-Gymnasiums steht. Gerade hat er die schriftliche Englischprüfung zum Mittleren Schulabschluss (MSA) abgelegt. „Die Lehrer, die kommen sollten, waren da“, hat seine Mitschülerin Dilara, 16, beobachtet.

„Insgesamt waren wir nur wenig vom Streik der angestellten Lehrer betroffen“, bestätigt der für den Vertretungsplan zuständige stellvertretende Schulleiter Thomas Mingels, „in den Klassen mit MSA- und Biologie-Abiturprüfungen zum Glück überhaupt nicht.“ Erst am Montag um 16 Uhr hat er erfahren, dass der Streik der angestellten Lehrer zulässig ist. Da war Mingels klar, dass von den 18 angestellten Lehrern seines 65-köpfigen Kollegiums sechs am Streik teilnehmen und für den Unterricht fehlen würden. Einen neuen Vertretungsplan aufzustellen war kein Problem für ihn: „Wenn im Winter eine Grippewelle umgeht, habe ich mehr zu tun.“

Im Landesschnitt lag die Teilnehmerquote höher: Am Dienstag waren rund 3.000 der um die 8.000 angestellten Berliner LehrerInnen beim Streik dabei, sagte Tom Erdmann, der Sprecher der Bildungsgewerkschaft GEW Berlin. „Ich hatte nicht mit so vielen gerechnet.“

Beate Stoffers, die Sprecherin der Senatsverwaltung für Bildung, kann nicht erkennen, dass es durch den Streik an 600 betroffenen Schulen organisatorische Probleme bei der Abnahme der Abitur- beziehungsweise MSA-Prüfungen gegeben hat. Von 6.30 Uhr an sei eine Hotline geschaltet gewesen, bis zum Mittag sei „kein Anruf eingegangen“, so Stoffers der taz: „Die Schulen haben das gut organisiert.“

Der Streik richtete sich an die Adresse von Finanzsenator Ulrich Nußbaum. Der stellt am Dienstag klar, dass er bei den Lehrergehältern nichts verbessern könne: „Wir zahlen schon jetzt die höchste Eingangsstufe, die man haben kann.“ Das bedeute einen Gehaltsvorsprung von 1.400 Euro gegenüber anderen Stellen mit gleicher Qualifikation. Und mehr gehe nicht: „Als Landesminister kann ich keinen Flächentarifvertrag abschließen, der dann bundesweit gilt“, so Nußbaum, „ich wüsste gar nicht, wie ich das machen sollte.“ Dem entgegnet Gewerkschafter Erdmann: „Nußbaum kann sich nicht länger hinter der Tarifgemeinschaft der Länder verstecken. Länderspezifische Regelungen sind möglich.“

CHR. OTT, A. WIERTH, ST. ALBERTI

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