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Lehrerin gegen Noten„Ein Stempel: unfähig, dumm oder faul“

Die Grundschullehrerin Sabine Czerny wurde strafversetzt, weil ihre Schüler zu gut waren. Jetzt kämpft sie gegen Zensuren. Damit würden sozial benachteiligte Kinder abgestempelt.

Sabine Czerny will nicht mehr mit Noten diskriminieren. Bild: Jan Roeder

taz: Frau Czerny, wie war es denn heute in der Schule?

Sabine Czerny: Am Anfang des Schuljahrs ist für die Erstklässler alles noch neu und der lange Schultag ist für sie ungewohnt. Ich mache also noch sehr viel spielerisch mit ihnen, wir singen und bewegen uns viel. Das Wichtigste ist, dass der Tag bunt und vielfältig ist, die Gemeinschaft stimmt, sie Vertrauen haben und sich wohlfühlen.

Ist die Schule dazu da, Kinder glücklich zu machen?

taz

Leben: Geboren 1972 bei München. Lehramtsstudium, arbeitet seit 1996 als Grundschullehrerin. Nach Schulschluss absolvierte sie u. a. Ausbildungen zur Waldorfpädagogin und Heilpraktikerin.

Buch: "Was wir unseren Kindern in der Schule antun". Südwest Verlag, 17,99 Euro. Buchvorstellung am 26. Oktober im Literaturhaus München.

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Jahrgang 1975, ist taz-Bildungsredakteurin und Mutter von drei Kindern, eines davon geht schon zur Schule.

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Sie ist dazu da, Kindern eine gute Ausbildung zu geben, und dazu gehört, dass es ihnen gut geht. Sie sollen nicht nur pauken und sich darüber vergessen.

Sie schaffen Vertrauen? Wieso ist das so wichtig?

Als Klassenleiterin einer 1. Klasse ist man eine wichtige Bezugsperson für die Kinder, oft die erste fremde außerhalb der Familie. Wenn Sie mir vertrauen, nehmen sie dadurch das, was ich sage, an. Kinder wollen, so wie eigentlich jeder von uns, dass das Beste aus ihnen herausgeholt wird.

Schaffen Sie das?

Ich gebe mein Bestes, aber nein, ich schaffe das nicht. Auch weil ich meine Arbeit immer konterkarieren muss. Ich motiviere Schüler zum Lernen und dann muss ich sie demoralisieren, indem ich ihre Leistungen benote.

Was ist das Problem mit Zensuren?

Noten bringen Druck - ob wir wollen oder nicht. Für die Kinder heißt es: Jetzt musst du es können, schneller, los - da entwickeln Kinder Blockaden. Wenn man ihnen dagegen Zeit gibt und eine gute Stimmung schafft, können sie es oft schneller, als man glaubt.

Die These Ihres Buches lautet: Noten lügen. Inwiefern?

Noten täuschen darüber hinweg, dass alle Kinder fähig sind. Sie sagen nichts über die wahren Fähigkeiten der Kinder aus. Und sie täuschen Objektivität vor: Notengebung ist relativ. Es gibt keinen allgemeingültigen Maßstab.

Starker Tobak - erklären Sie mal, wieso null Fehler im Diktat keine Eins und fünf Fehler keine Drei sind?

Null Fehler im Diktat sind eine Eins, aber es liegt in der Hand des Lehrers, welche Wörter und wie schnell diktiert wird. Auch bei anderen Proben liegt es an der Lehrkraft, welche Aufgaben gestellt werden. Dann wird festgelegt, wie viele Punkte welche Aufgabe bekommt. Und der Notenschlüssel legt fest, mit wie viel Punkten man welche Note erhält.

Und das ist nicht objektiv?

Der Punkt ist: Bei einer Probe ist die Verteilung wichtig. Als Lehrer muss man die Aufgaben so stellen, dass deutlich wird, welche Kinder die Anforderungen schon in besonderem Maße erfüllen, also eine Eins verdienen. Es darf aber nicht nur Einser-Kinder geben, also müssen auch Dreier und Vierer dabei sein.

Wo ist das Problem, die einen sind eben weiter, andere noch nicht?

Ein Weitersein oder eben nicht wäre nicht das Problem. Das Problem ist, wie das bewertet wird. Wenn abgefragt wird, was im Unterricht erarbeitet wurde, entspricht das nach den Vorgaben einer Vier. Das heißt eigentlich: Du erfüllst noch die Anforderungen, du kannst es. Doch für eine gute Note in der Probe ist wichtig, wer die Anforderungen im besonderen Maße erfüllt. Es genügt nicht zu wissen, was man gelernt hat, sondern man muss dafür mehr können. Das ist eine ganz klare Gruppe, die hier bevorzugt ist.

Welche?

Kinder aus sozial bevorzugten Familien haben eindeutig Vorteile. Zunächst schon beim Schreiben- oder Lesenlernen. Die Eltern haben Bücher daheim, sind meist selbst interessiert und gebildet. Einige Kinder können auch schon lesen, wenn sie in die Schule kommen. Bei Proben hat man nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung, da ist jeder im Vorteil, der besser lesen kann. Später lernen diese Eltern oft mit ihren Kindern, recherchieren im Internet und üben anhand anderer Prüfungsaufgaben. In den Proben bekommen diese Kinder dann die guten Noten und das Prädikat: intelligent und leistungsfähig.

Und die andere Gruppe?

Die anderen, die zwei Schritte hinterher sind, oft wenig oder keine Hilfe zu Hause erhalten und mit viel größeren Defiziten in die Schule kamen, bekommen in der Probe den Stempel: unfähig, dumm oder faul. Dabei können sie in der Regel das, was sie im Unterricht vermittelt bekommen haben, und lernen oft viel mehr dazu als die anderen Kinder. Unsere Art der Leistungsmessung lässt uns etwas anderes glauben - aber ich erlebe, dass alle Kinder gut lernen können

Sie haben das auch bewiesen. Vor zwei Jahren hatten Sie eine Klasse, in der die Kinder plötzlich nur noch gute Noten schrieben.

Das ist richtig. Wir waren eine gute Gemeinschaft, die Schüler haben gern gelernt. In den Proben haben sie nach einigen Wochen Einserschnitte erzielt. Ich habe aber nicht einfach gute Noten verschenkt, nein: Die Kinder haben sie in Arbeiten erzielt, die in allen Parallelklassen geschrieben und größtenteils gar nicht von mir erstellt waren. Diese guten Schnitte wurden mein Problem.

Zu viele gute Schüler sind nicht gewünscht?

Ich hatte noch nicht einmal das Gefühl, dass es nicht sein durfte. Nein, niemand konnte sich vorstellen, dass es sein kann.

Können Sie sich erklären, warum die Rektorin und das Schulamt so abwehrend reagiert haben. Normal wäre es doch gewesen, sich zu freuen?

Die Verteilung auf die Notenstufen entspricht unserem Begabungsbegriff. Es gibt eben dumme und kluge Kinder. Wir akzeptieren das, weil wir das seit je so kennen. Wir hinterfragen aber nicht, ob das wirklich der Grund für diese Leistungsunterschiede ist. Und dann schließen wir Kinder, die in den Proben schlechtere Ergebnisse haben, von höherer Bildung aus.

Sie wurden strafversetzt. Wie haben Sie sich denn da gefühlt?

Die Kinder in meiner letzten zweiten Klasse hatten mitbekommen, dass ich im Fernsehen war. Und ein Schüler erzählte: Meine Mama hat gesagt, deine Lehrerin ist wie eine Ameise, die gegen einen Elefanten kämpft.

Und stimmt das Bild?

Ich bin ja nicht die einzige Ameise. Und ich glaube, dass wir den Elefanten, also dieses riesige Schulsystem, schon ganz schön gestört haben. Er muss einfach irgendwann umfallen.

Haben sich Ihre Kollegen mit Ihnen solidarisiert, als Sie wegen zu guter Noten in der Kritik standen?

Auf dem Schulflur hat manch einer zu mir gesagt: Ich würde dich gern unterstützen, aber ich kann nicht. Denn wer sich mit mir offen solidarisierte, musste Konsequenzen befürchten. Ein Kollege, der sich für mich einsetzte und beim Schulamt anrief, wurde sogar angeschrien.

Ihre Kompetenz als Lehrerin wurde in Zweifel gezogen. Wieso haben Sie weitergearbeitet?

Ich mag Kinder und ich arbeite gern mit ihnen. Sie sind einfach toll.

Wären Sie nicht glücklicher an einer nichtstaatlichen Schule? Sie haben ja auch Fortbildungen in Montessori-Pädagogik besucht und interessieren sich für reformpädagogische Konzepte.

Zum einen fühle ich mich an der Regelschule doch in gewisser Hinsicht freier. Ich bin nicht durch eine vorgegebene Methode oder Ideologie eingeschränkt, sondern kann je nach Situation das Beste für die Kinder wählen. Ich bin auch wirklich keine Freundin des Mottos: Lerne, wann du willst und was du willst, Hauptsache, du hast einen schönen Tag.

Das ist Ihnen zu kuschelpädagogisch?

Leistung ist mir sehr wichtig.

Wie nun? Sollen die Schüler Leistungen bringen oder sollen sie Spaß am Lernen haben?

Beides. Kinder lieben es, Leistung zu erbringen, und sie empfinden viel Freude, wenn sie etwas können. Freude und Leistung gehören zusammen, das eine entsteht jeweils durch das andere.

Wollten Sie schon immer Lehrerin sein?

Ich habe schon immer gern mit Kindern gearbeitet und wollte schon immer gerne Lehrerin werden. Dennoch hatte ich auch andere Interessen, ich hätte auch gern Mathematik, Physik oder Medizin studiert. Aber Lehrerin sein war das, was ich an sich immer wollte.

Es war also Ihr inneres Bedürfnis zu lehren.

Ja. Es macht mir einfach Spaß und ist so bereichernd, mit Kindern zu arbeiten. Es ist so lebendig und vielfältig mit ihnen, weil sie so unterschiedlich sind.

Wenn man Sie als Superlehrerin bezeichnet …

… gefällt mir das gar nicht. Ich bin kein bisschen besser als viele andere Lehrer, die mit Liebe zu den Kindern arbeiten.

Wie waren die Lehrer, die Sie mochten?

Das waren mein Physiklehrer und meine Sportlehrerin. Zwei an sich grundverschiedene Menschen, aber sie hatten eins gemeinsam: Sie waren authentisch und haben sich um ihre Schüler gekümmert. Wir und was wir von ihnen lernten, war ihnen wichtig.

Und wie vermitteln Sie heute Ihren Schülern Wissen?

Ich nutze die Heterogenität bewusst. Man kann beispielsweise eine beliebig schwere Matheaufgabe in so viele unterschiedlich schwierige Teilaufgaben zerlegen, dass jeder etwas zur Lösung beitragen kann, aber gleichzeitig alle anderen Schritte miterlebt. So ist jedes Kind gefordert, jedes Kind vertieft, jedes Kind hat Erfolgserlebnisse, ohne dass es langweilig wird. Kinder lernen leicht, wenn sie das ganze Spektrum einer Thematik geboten bekommen und so gleich die Zusammenhänge erleben. Sie nehmen das auf, was für sie gerade stimmig ist, und so weit auseinander, wie wir immer denken, sind sie nicht.

"Lernen muss leicht sein", schreiben Sie. Gilt es etwa, Anstrengung zu vermeiden?

Anstrengung kommt, wenn man weiß, man kann ein Ziel erreichen. Aber dazu brauchen Kinder Erfolgserlebnisse. Wir Lehrer müssen ihnen diese ermöglichen. Es ist frustrierend, nie ein Ziel zu erreichen, aber genau das geschieht durch unsere Art der Leistungsbeurteilung. Ich habe in der zweiten Klasse Kinder gesehen, die einfach aufgegeben haben. In der zweiten Klasse!

Sie schreiben von einer Ihrer Schülerinnen, Martha: "Ich möchte Tierärztin werden. Ich will mich so gern um Tiere kümmern." Doch dann ein klarer Blick. "Aber nein, mit meinen Noten komme ich auf die Hauptschule, werde Hartz-VI-Empfänger wie meine Eltern und gehe bei anderen putzen." Haben Sie ihr widersprochen?

Im Prinzip hat sie recht. Es gibt natürlich Menschen, die es geschafft haben, ihren Umständen zu entfliehen. Aber das sind Einzelfälle. Die meisten werden früh an ihren Platz verwiesen. Durch die Art der Notengebung wird es die Marthas und Ayshes immer geben. Wir können es nicht verhindern, weil wir die Schularten bedienen müssen.

Haben Sie die Schule als Schülerin auch so einengend empfunden?

Ich war immer bei den Guten und hatte meist Einser und Zweier im Zeugnis, da lebt es sich leichter. Mir ist erst später bewusst geworden, dass ich einfach privilegiert bin.

Inwiefern privilegiert?

Durch mein Elternhaus. Mein Vater hat mir beispielsweise schon als Kind die ersten Tricks fürs Rechnen beigebracht. Er ist Mathematiker und hat auch mich begeistert. Als ich in die Schule kam, konnte ich schon rechnen. Ich war also stets einen Schritt voraus.

Vielleicht sind Sie auch einfach gut in Mathe?

Ja, ich war gut in Mathe, die Frage ist nur, warum? Ein Mathe-Intelligenz-Gen?

Zum Beispiel.

Ich glaube nicht. Diese ganze Intelligenzfrage wird überbewertet. Viel wichtiger ist es, zu üben und zu wiederholen. Ich war motiviert zu üben, es hat mir einfach Spaß gemacht zu rechnen, es wurde fast ein Hobby. Ich hatte Einsen, jeder sagte, du kannst es, und dann konnte ich es auch. Ich erlebe das auch in der Schule. Damit Kinder lernen, ist es am wichtigsten, ihnen Erfolgserlebnisse zu verschaffen.

Wie reagiert ein Kind, wenn Sie ihm eine Fünf geben?

Kann man sich das nicht vorstellen? Manch ein Auge füllt sich mit Tränen, einige Kinder verbergen die Note unter ihren Händen. Andere schauen mit leerem Blick in die Ferne. Es ist da auch völlig egal, was ich sage, wie ich versuche, das aufzufangen. Meine Aussage verliert an Wert. Diese Fünf prangt dort, sie ist entscheidend.

Sie motivieren zum Lernen und entmutigen dann durch Zensuren.

Das ist nur sehr schwer auszuhalten. Denn es ist ungerecht, und es werden aus kleinen Unterschieden große gemacht, die gar nicht da sind.

Wären die Noten weg, wäre alles gut?

Das wäre zu einfach. Die Noten sind nur Symptom eines Systems, das selektiert. Ich stelle mir eine Schule für alle vor. In der wir Prüfungen nicht mehr schreiben, um zu selektieren, sondern um Kinder anzuspornen.

Wie würde so etwas denn aussehen?

Dort können wir andere Arten von Prüfungen schreiben. In der Art von Sprachtests etwa. Auf das Anforderungsniveau A1 kann man sich gezielt vorbereiten. Wenn man es erreicht, geht man weiter.

Wenn Sie bayerischen Eltern mit der "Schule für alle" kommen, heißt es doch sofort: Pfui Einheitsschule. Oder nicht?

Doch, aber nur weil sie vieles nicht wissen. Auf den ersten Blick bietet das dreigliedrige Schulsystem ja auch drei verschiedene Wege. Was sie nicht sehen: Diese selektionswirksamen Prüfungen quetschen alle Kinder auf denselben Zeitpunkt und dasselbe Thema. Unsere derzeitigen Schulen sind also die wahren Einheitsschulen. Nirgends gibt es Individualität und Freiräume. Unsere Kinder marschieren in verschiedenen Schulformen alle im Gleichschritt.

Das sagen Sie als engagierte Pädagogin, aber viele Lehrer finden Noten doch toll, weil sie die Leistungsbewertung so einfach machen?

Das sind aber nicht die Lehrer, die ich zuhauf kenne. Sie leiden sehr darunter, dass sie Noten geben, alles bewerten müssen und sich nicht individuell um jedes Kind kümmern können.

Wieso gibt es dann keinen Aufschrei?

Die meisten Lehrer, die ich kenne, sagen: "Sie haben recht." Viele sind sehr engagiert, aber sie stoßen an Grenzen. Sie sind ohnmächtig, weil das System immer stärker zu sein scheint. Wohin soll man sich auch wenden? Ich habe selber erlebt, dass einem nicht zugehört wird. Viele Lehrer versuchen daher in ihrem Bereich alles, was möglich ist, für ihre Kinder zu tun, ein ziemlicher Kräfteverschleiß.

Mit Ihrem Buch fordern Sie die Bürokraten erneut heraus - haben Sie eigentlich keine Angst vor Konsequenzen?

Ein wenig, aber ich bin wütend. Man schimpft immer auf die Lehrer. Aber dieses System verhindert, dass wir gute Lehrer sein können. Man schimpft auf die Schüler, nennt sie dumm, faul und desinteressiert, aber fragt nicht, woher das kommt. Und man schimpft auf die Eltern. Ich glaube, es ist wichtig, all die Zusammenhänge mal darzustellen, damit man verstehen kann.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN

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34 Kommentare

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  • D
    Dagmar

    Einige Leserkommentare wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, was die Frau C. klargestellt hat: Noten sind KEINE Beurteilung von Leistung, sondern Grundlage eines LeistungsVERGLEICHS, das ist ein Riesenunterschied. Bin ich der Beste in der Klasse, bekomme ich eine "1". Wenn ich dann die Klasse wechsel, dann ist unter Umständen meine Leistung nur noch eine "4" wert, nicht weil meine Leistung schlechter geworden wäre, sondern weil sich die Bezugsgröße veränder hat. Selbst wenn alle Schüler das intellektuelle Niveau von Albert Einstein hätten, gäbe es in unserem System immer noch eine Notenskala von 1-6. Also, mit LEISTUNGSmessungen haben Noten nichts zu tun, sie haben vielmehr eine SELEKTIONSfunktion und das stößt der Frau C. übel auf.

    2. Noten VEHINDERN sogar Leistung, weil sie den realtiv Schwächeren den Spaß am Lernen und Leisten rauben und alle weil alle nur noch für die Note lernen. Dabei kommt aber kein Wissen zustande. Jeder kennt das doch, dass das Meiste am Tag nach dem Test schon wieder vergessen ist, weil man an dem Wissen für sich gar kein Interesse hat, das hat einem die Schule mit ihrem Notensystem ausgetrieben.

     

    Trotzdem ist die Frau eine hoffnungslose Idealistin. Denn selbst wenn alle ein Top-Wissen hätte, würde die Wirtschaft nur einen Teil davon in den besseren Berufen nachfragen und wir hätten Akademiker als Straßenkehrer. Frau C. kennt sehr gut das Schulsystem aber nicht das Wirtschaftssystem, in dessen Diensten die Schule die Karrieren vorsortiert.

  • R
    Rita

    Frau Czerny zeigt in den ersten Kapiteln Ihres Buches sehr gut die Probleme des deutschen Schulsystems auf. Es sortiert aus, statt die Kinder zu fördern. Das haben vor ihr ja schon sehr viele andere Menschen analysiert - insofern ist es auch nichts Neues. Leider schreibt Frau Czerny auch viel Unkluges, als sie anfängt, ihren eigenen Lern- und Ausbildungsweg beschreibt. Anders als im Interview beschreibt sie im Buch sehr euphorisch ihre Waldorflehrerausbildung und behauptet dann auch noch, dass Waldorfschulen sehr darauf achten würden, Kinder aus allen sozialen Schichten aufzunehmen. Selten so gelacht! Kinesiologie und Familienstellen hat sie auch noch ausprobiert. Schade, dass sie sich so einlullen hat lassen und keine kritische Distanz wahrt.

  • S
    Salzwasser

    Erschreckend, wieviele Leute bedenkenlos ihren Kotau vor dem Notensystem machen.

     

    "Leistungsmessung ist alternativlos"? Wieso eigentlich?

    Und wieso muß sich der Bequemlichkeit des "Abnehmers" von Schülern gebeugt werden?

     

    Die Kinder haben nur eine Kindheit. Schlimm genug, wie wenig unorganisiertes Leben, Luft zum freien Atmen,ihnen heute noch bleibt. Tagtäglich werden sie zum Lernen irgendwelcher Dinge gezwungen, die für ihr Alter keinerlei Rolle spielen. Und wozu? Die meisten müssen trotz aller Plackerei in der Schule mit Arbeitslosigkeit oder miesbezahlten Jobs über die Runden kommen, aber nicht, weil sie doof sind, sondern weil das moderne Leben entsprechend organisiert ist.

     

    Schule ist die Legehennenbatterie für Kinder. Schule ist Lebenszeitvernichtung im Dienste moderner Sklaverei.

  • H
    HamburgerX

    Noten sollen Leistung messen, nicht Potenzial. Noten sind objektiv, vergleichbar und erlauben, Defizite aufzuarbeiten.

     

    Die Talente allerdings werden nie gleich sein, daher ist auch "Noten-Sozialismus" fehl am Platz!

  • T
    Tony

    Ich bin Lehrkraft an einer Gesamtschule in Niedersachsen, in der es bis zum 8. Jahrgang (einschließlich) keine Noten, sondern sogenannte Lernentwicklungsberichte (in Textform) gibt. Für jedes Fach wird so die Lernentwicklung des Schülers aufgezeigt. Allerdings fordern Eltern und Schüler immer wieder, dass Noten früher eingeführt werden sollen, "weil sie sich sonst nicht richtig einschätzen" können.

    Ich glaube deshalb, dass viele Eltern und Schüler gar keine Abschaffung der Noten wollen, denn

     

    1. "Zeugnisse" in Textform werden nicht verstanden. Zahlen sind so schön einfach.

    2. Die Stellung des Schülers in der Lerngruppe ist nicht klar erkennbar.

    3. Spätere Abnehmer von Schülern sind nicht bereit, längere Texte über Bewerber zu lesen; bei schlechten Noten fällt das Aussortieren leichter

     

    Lasst uns also bei den Noten bleiben, da haben dann die lehrkräfte auch weniger Arbeit mit.

     

    Tony

  • Z9
    zausel 93

    bei solchen lehrern ist es kein wunder ,das unsere kinder immer weniger wissen haben .

    geben sie zum schutz unserer jugend ihr lehramt auf

    frau czerny

  • N
    Ndege

    Nachdem ich den Artikel gelesen habe, weiß ich immer noch nicht, ob die Schüler aus Czernys Klasse einen Einserschnitt haben, weil sie so gut sind, oder weil Czerny das Benotungssystem ablehnt und deshalb aus Protest nur Einsen verteilt. Ein Artikel aus dem solch wichtige Informationen nicht klar herausgehen ist einfach schlecht und daher ist es auch schwer zu sagen, was ich von dieser Lehrerin halten soll.

  • TS
    Thomas Sch.

    Wie kann man nur so naiv sein ? In der vierten Klasse hatten wir einen Mitschüler, der konnte superschlecht lesen und hat uns alle aufgehalten. Der war nicht sozial benachteiligt, sondern hatte weniger Grips in der Birne. Sorry, werte Dame. Gleiche Rechte heißt nicht, daß alle gleich schlau sind. Oder wäre es Ihnen egal, daß die Bremse an ihrem Auto von einem Monteur repariert wird, der nur gnadenhalber in der Werkstatt beschäftigt wird und weder die Bremswerte noch die Einbauvorschrift lesen und verstehen kann ? Nein. Das, was Sie da von sich gegeben haben, zeugt von einem krassen Mißverständnis. Nicht die schlechte Note macht den schlechten Schüler schlecht. Er selber ist wegen schlechter Leistung Ursache für die schlechte Benotung. Wenn ich bei rot über die Ampel fahre, ist ja auch nicht die Gesellschaft schuld.

  • T
    Timon

    Es gibt verschiedene Schulen in denen es keine wirklichen "Zensuren" gibt, auch keine Hausaufgaben und keine standartmäßigen Fächer. DIe Klassenstufen sind vermischt und es ist nach den " Norm-Denken" eigentlich unmöglich das soetwas funkioniert....

    Tut es aber und zwar extrem gut, die Schüler sind besser in der Schule, lernen mehr, konzentrierter und das aller wichtigste ist: Sie haben Spaß an der Schule...

    Das kann man leider von den Norm-Schulen nicht sagen, wo durch Zensuren und Schulstufen (Hautp-,Real-,Gymnasium) schon gleich gesagt werden wie diese Menschen im späteren Leben klarkommen werden.

    Wenn ein sozial-benachteiligtes Kind logischer Weise auf die Hauptschule kommt, ist schon klar, dass dieses Kind immer Unterschicht bleiben wird.

  • M
    Mars

    so wie ich dieses thema mitbekommen hatte geht

    der einstellung von Fr.Czerny die soll-erfüllung

    der bewertung vorraus!sprich zB.:7 Schüler können aufs gym.zB.:10 auf die Realschule und zB.:8 auf die realschule da ist sie ja nicht schief gewickelt wenn sie gegen ein so unfaires system kämpft!bei der polizei gab oder gibt es so ein system übrigends auch schonmal!soviele strafzettel sind zu bringen!damit genug geld in die kassen gespühlt wird - egal wieviel

    leute das gesetz übertreten haben^^in betrieben ist dieses system auch gang und gebe!

    deshalb ist die entscheidung des tages für mich unabstimmbar:Noten ja aber bitte objektiv ohne soll zwang!wenn alle schüler super sind muss eben eine gymnasium klasse dazukommen in diesem Jahr!wo problem?es sind kinder denen ihr die ganze zukunft verbaut!

  • P
    Pädagoge

    Recht hat sie! Aber leider ist es im deutschen Schulsystem nicht gewünscht die Schwachen zu fördern. Das Einzige das zählt ist Leistung und Eliteförderung.

     

    Neben der Leistung müssten auch der Einsatz und die Fortschritte die ein Schüler bringt/macht bewertet werden, aber dafür muss man ja den ganzen Menschen betrachten und nicht nur ein Stück Papier auf dem die Testergebnisse stehen.

     

    Man bräuchte mehr Lehrer wie Frau Czerny, aber solange sie Sklaven des Staates sind (siehe Strafversetzung), werden es die wenigsten riskieren, etwas gegen dieses diskriminierende Schulsystem zu unternehmen.

  • N
    NotenFreund

    Ich dachte das Thema ist schon erledigt...keine Leistungen verlangen, Schüler nicht benoten, Spielen statt Lernen, Kuschelschulen usw. und danach in die "kalte" Berufswelt entlassen und sich wundern das nicht viel läuft...!

     

    Immer diese Ewiggestrigen...Schlimm! Jetzt will man die Sozialschwachen Schützen... aha... hat Herr Gauck nicht gerade gesagt das alle Leute was Leisten können und wir das als Gesellschaft auch abverlangen müssen (im Rahmen und mit Unterstützung natürlich)?!?!

  • M
    Matze

    Und wie sollen dann Arbeitgeber, Hochschulen und Co eine geeignete Vorauswahl der Bewerber treffen? Wie soll eine Abstufung der Leistungsfähigkeit erfolgen?

    Im übrigen würde eine notenfreie Schule diejenigen benachteiligen, die sich anstrengen, während Faulheit gefördert würde. Noten sind ein wichtiger Anreiz und ein Indikator. Wie soll sich ein Schüler sonst orientieren? Woher soll er wissen, ob er den Ansprüchen gerecht wird?

  • I
    Ifosil

    Sehr schön das es Lehrer gibt die das durchschaut haben. Wir bekommen im Dezember unser erstes Kind, hab mir über diese Problematik auch schon oft gedanken gemacht und auch offen darüber geredet, vorallem in der Verwandschaft. Aber dort wurd ich eigendlich ignoriert und nicht ernst genommen, als ich sagte das Kinder aus sozial schwachen Familien schwere Nachteile haben, konnten sie mir nicht so recht folgen. Dieses Schulsystem ist von den Eliten für die Eliten, Kinder aus unteren Schichten sollen garkeine Chance haben, das ist absicht.

  • A
    asd

    "In den Proben bekommen diese Kinder dann die guten Noten und das Prädikat: intelligent und leistungsfähig.“ "

     

    und was ist daran falsch?

  • W
    Wolfgang

    Ich schlage eine Verlosung für Abiturnoten vor!

     

    Und Hufeisenwerfen für Realschulabschlusse.

  • LZ
    Leider zutreffend

    Sehr geehrte Autorin,

     

    obwohl meine Eltern (finanziell) zur Unterschicht gehörten, hat meine Mutter fast täglich meine Hausaufgaben kontrolliert und mich z.B. Vokabeln abgefragt. Und das bis zur 6. Klasse. Und, das kann ich jetzt nach so langer Zeit sagen, dieses liebevolle, auch ein bisschen Strenge kümmern hat mich im späteren Leben so weit gebracht. Auch, dass uns als Kinder sehr viel vorgelesen wurde.

     

    Wichtiger als Geld oder der soziale Status sind persönliches Engagement und Hingabe, und dies zu vermitteln würde vielen Kindern so viel mehr an Gewinn bringen.

  • H
    hako

    Sehr geehrter taz Redaktion,

     

    Jungen sind von den Abwertungs-Orgien nicht erst in den Schulen betroffen, sondern schon von Nichtbeachtungs-Orgien und Kommunikationsverweigerungs-Orgien in Eltern-, Kindergarten- und Betreuungssituationen allgmein.

    Der Mut von Frau Czerny ist nicht hoch genug zu bewerten. Leider kommen solche Meldungen von männlichen Lehrern nicht mehr, da ihnen der Geschlechterkampf unter den Lehrern bereits die Luft zum wirklich gleichberechtigten Denken, Fühlen und Handeln nimmt.

    In Kontext des Berichtes über den Mut von Frau Czerny ist bei der Bewertung zwischen Jungen und Mädchen nicht unterschieden, was sich zunächst einmal als ungewöhnlich angenehm liest. Leider muss man aus Erfahrung sagen, dass solche Berichte schnell wieder instrumentalisiert werden um geschlechterspezifische Politik zu machen, dahingehend dass für Mädchen "mehr herausgeholt" wird. Denn sind ersteinmal Mädchen aus dem Fokus dieser Abwertungsorgien an den Schulen befreit ist das Thema schnell aus den aktuellen Meldungen verschwunden oder gerät erst garnicht dort hinein.

    Es gibt zahlreiche Eltern, denen bei der Betreuung ihrer Jungen (und Mädchen) dieses Thema sehr bewußt ist. An Schulen werden daher schon zwischen Jungen der aufgeklärten und der nicht aufgeklärten, sprich weniger wohlhabenden Elternschaft unterschieden und auf diese Weise Eltern und Jungen gegeneinander ausgespielt. Ich wünshcte mir in der taz Artikel mit sher gründlicher Recherche zu diesen Themen.

    Es grüsst Sie herzlich hako

  • A
    Anna

    In Waldorfschulen funktioniert Schule schon lange ohne Noten, Kinder sind ja auch nicht doof, sie wissen selbst genau was sie können und was nicht. Es ist ganz schrecklich, dass Kinder in Deutschland so diskriminiert werden. Noten sind genau dafür da, die Kinder zu diskriminieren, zumal auch längst bewiesen ist, dass Noten ziemlich willkürlich sind.

  • A
    Arne

    Vollkommen absurd ist meines Erachtens nach v.A. die Regelung, dass es gute UND schlechte Noten geben MUSS. Warum muss es das denn? Notenvergabe ist ja dann automatisch relativ. Bekommen die meisten meiner Klassenkameraden eher schlechtere Noten, habe ich eher Chancen auf eine bessere und umgekehrt? Warum beurteilt man Schüler_innen einfach nicht nach dem, wie sie sich entwickeln?

     

    Die Konservativen müssen doch endlich einsehen: Wir brauche dringend tiefgreifende Reformen. Nur weil wir dieses Bildungssystem in Deutschland so lange hatten, ist es dadurch nicht die beste Lösung!

  • IB
    Inge Borg

    Ihre Argumentation macht im Punkt Willkürlichkeit Sinn, denn die Bewertungsmaßstäbe sind manchmal nicht nachvollziehbar, aber ich sehe keine Bevorteilung gegenüner Kindern aus gebildeten Schichten. Gerade in Grundschulen ist es absoluter Schwachsinn, denn in Deutschland können abgesehen von 5% Analphabeten jeder lesen und es seinen Kindern beibringen. Gerade Hartz4-Empfänger haben i.d.R. mehr Zeit als "gebildete Milieus" um es ihre Kindern beizubringen. Was soll das?

  • K
    Kerze

    Ich halte ja Lohn nach Leistung für antiquiert. Im späteren Arbeitsleben wird sowas ja auch nicht verlangt.

  • S
    Sabiban

    Danke, Frau Czerny!

  • S
    Sezession

    Stimmt, die bösen Eltern, die mit ihren Kindern lernen und ihnen Bücher statt Playstations kaufen. Oh mann, was für ein Schwachsinn, Noten abschaffen, wer kommt auf diesen Schmarrn?

  • PM
    Peter Mannheimer

    Natürlich haben Kinder aus Elternhäusern ohne Bücher Nachteile; das wissen wir nicht erst seit Sarrazin. Das schlägt sich u. a. in schlechteren Zensuren nieder. Deswegen aber Noten abschaffen zu wollen, ist naiv: Leistungskontrole weg? Unterricht im Klassenverband weg? Soll der Schüler anonym am Unterricht teilnehmen ohne Beurteilung irgendeines Lehrenden? Erst beim Schulabschluss bewertet werden - oder schaffen wir den gleich mit ab? Können wir die Arbeitswelt den Benachteiligten noch zumuten - oder wollen wir die auch abschaffen?

     

    Ursachen bekämpfen, nicht Symptome! Sabine Czerny hat ihren Beruf verfehlt.

  • DL
    David L.

    Schön, dass diese Fakten anscheinend auch langsam bei den Lehrern anzukommen scheinen. Zu viele andere Beispiele kennt jeder aus seiner eigenen Schulzeit.

    Aber die Sache ist ja noch viel schlimmer: Die Schulnoten deklarieren die Kinder nicht nur ungerechtfertigt zu Klugen oder Dummen, zu Siegern oder Verlierern. Sie dienen auch als Begründung für offene Diskriminierung - siehe die Sarrazin-Debatte.

    Höchste Zeit, dass sich das die sogenannten Fachpolitker endlich klar machen und dementsprechend (also dagegen) Initiative ergreifen. Sabine Czerny ist dementsprechend nur zu wünschen, dass sich ihr Buch ähnlich gut verkauft wie das des erwähnten verantwortungslosen Dummkopfs.

  • PM
    Peter Maier

    Noten abschaffen ? Ein Aprilscherz, oder ?

  • A
    atypixx

    Es ist schon ein Unterschied, ob Schüler wirklich inhaltlich gut sind, oder ob sie mit formal guten Noten behängt werden. Das kann sicherlich zusammenfallen und wird es auch häufig tun. Dass aber alle Schüler von Frau Czerny formal *und* inhaltlich gut waren, bezweifle ich. Und dass sich Frau Czerny grundsätzlich gegen das Notensystem stellt, bestärkt mich in diesen Zweifeln spürbar.

  • W
    Wolfgang

    Deutschland das Land der bekannten Möglichkeiten:

    Dummheit wird staatlich gefördert, Weisheit wird strafversetzt, erfolgreiche Steuerfahnder in Pension geschickt, Bankmanager nach Verzocken von Milliarden Euro mit hohen Abfindungen versehen. Hartz IV Empfänger dürfen 20 Euro im Monat dazuverdienen, Landtagsabgeordnete gönnen sich 400 Euro im Monat mehr.

    Einige (viele) Politiker, besonders die, die angeblich dem Volk sehr wohlgesonnen sind, haben etliche Nebenjobs. Priester preisen die Keuschheit und begehen Keuchheit. (Richtig geschrieben!)

    Was haben Frau Sabine Czerny und der Bürgerrechtler Liu Xiaobo gemeinsam? Sie kämpfen gegen die verkrusteten Denkweisen in den jeweiligen Staaten aber die Reaktionen der zu Recht betroffenen ähneln sich stark. Was doch Denken Angst macht.

  • S
    Saby

    Soweit ich mich erinnere, hat Prof. Karl Josef Klauer Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre an der TU Braunschweig die „kriteriumsorientierte Leistungsmessung“ in die Pädagogik eingeführt, auch „lehrzielorientierte“ Leistungsmessung genannt (also absichtlich vom Lehrenden aus gesehen, statt „lernzielorientiert“, wie es aus der Schülerperspektive hieße), und gemeinsam mit seinen Kollegen entsprechende Tests ausgearbeitet.

    Seiner Meinung nach war (a) in erster Linie der Lehrer dafür verantwortlich, dass die Schüler das zuvor definierte Lehrziel erreichten, und (b) tatsächlich (fast) jeder Schüler fähig, das zu schaffen, mancher allerdings etwas später und mit mehr Lernaufwand als seine Klassenkameraden (Prof. Klauer war ursprünglich Sonderschullehrer gewesen).

    Insofern befindet sich Sabine Czerny mit ihrem Denkansatz in guter und seriöser Gesellschaft. Ich frage mich nur, wieso Prof. Klauers doch sehr plausible Sichtweise sich in den Kultusministerien nie durchsetzen konnte, sondern zugunsten der altgedienten Gaußschen Normalverteilung bei den Noten – analog zur angenommenen „Glockenkurve“ des IQ – längst in der Versenkung verschwunden ist.

    Offenbar klammert man sich mit Milchmädchensparsamkeit am status quo fest und produziert wie vor 100 Jahren Überflieger, Mittelmaß und Ausschuss, getreu dem Motto „Das ham wa schon immer so gemacht – da könnte ja jeder kommen“.

    Schade. Mehr engagierte LehrerInnen vom Schlage Sabine Czernys täten unserem Schulsystem und vor allem auch unseren Kindern wirklich gut!

  • P
    Pädstudi

    Respekt das Sie sich nicht Mundtot machen lässt

    hoffentlich erreicht Sie Ihr Ziel und Noten werden abgeschafft

    Ich bin dabei :)

  • H
    hto

    Das "gesunde" Konkurrenzdenken des "freiheitlichen" Wettbewerbs um die Illusionen und Abhängigkeiten der Hierarchie in materialistischer "Absicherung" erfordert Noten / Klassifizierungen - nur wenn dieses entmenschlichende System in Gänze / bis zur Wurzel abgelehnt wird, und nicht nur eine oberflächliche Behandlung die Symptomatik in Richtung "Sankt Nimmerleins-Tag" verlagert, kann ein wahrhaftig menschenwürdiges System in unzweifelhafter Wertigkeit die wahren Kräfte aller Menschen zur Wirkung bringen - Fusionieren statt Konfusionieren!?

     

    KEINE KOMPROMISSE, denn Kompromisse sind die ersten Schritte dieses Systems in Ausbeutung und Unterdrückung, zur Verkommenheit im geistigen Stillstand bei gleichbleibend unverarbeiteter / manipulierbarer Bewußtseinsschwäche in Angst, Gewalt und dem Glauben an "Individualbewußtsein", wo geistig-heilendes Selbst- und Massenbewußtsein wirken könnte / sollte!?

  • R
    Ranjit

    Ich fürchte Frau Czerny hat zwar nur Gutes im Sinn ist aber etwas fehlgeleitet.

    Das Notensystem ist sicher nicht perfekt aber Leistungsmessung ist wohl alternativlos.

    Dies ist durchaus zum Wohle der Kinder. Denn auch "sozial benachteiligte" Kinder brauchen eine Rückmeldung zu ihren Leistungen und den Vergleich mit anderen Kindern. Wie sollen Kinder wissen, welches Niveau in den jeweiligen Fächern notwendig zum vorankommen ist?

    Noten sich auch sicher nicht völlig objektiv aber in ihrer Tendenz durchaus aussagekräftig. So sagen Abschlussnoten relativ gut Studienerfolg und Berufserfolg voraus.

     

    Was geändert werden muss sind die Konsequenzen der Noten. Es kann nicht angehen dass nach der vierten (!) Klasse bereits ausgesiebt wird. Natürlich werden sozial benachteiligte Kinder so jeglicher Chance auf einen höheren Bildungsweg beraubt. Eine Lösung wäre die Gesamtschule oder zumindest ein späteres Aufteilen. Ebenso muss späteres Umentscheiden leichter werden.

     

    Objektivere, zentrale Tests (wie z.B. beim Abi)sollten die Regel werden und das Schulsystem sollte später selektieren. Noten braucht es dennoch.

  • WR
    Willi Ruhrgebiet

    Natürlich ist eine Benotung von Schülern immer eine wirklich zwiespältige Sache.

     

    Auch ich entstamme einem "sozial benachteiligten" Haushalt der 60er Jahre. Meine Eltern hatten wenig Mittel mir zu helfen. Meine Lehrer hatten wenig Interesse sich mit meinen Defiziten auseinanderzusetzen und gaben mir dann schon mal einfach gute Noten- vor allem da wo ich sie N I C H T verdient hatte. Irgendwie, dank zweiter und dritter Bildungsumwege, habe ich es dann doch immer weiter geschafft. Der übelste Punk dort, war, dass meine Noten mir ein Können vorgegaukelt haben, das ich nicht besaß!

     

    Also durfte ich A L L E S doppelt lernen! Toll war das nicht.

     

    Heute lehre ich als Professor an einer renommierten Universität und habe immer wieder mit Studenten aus "sozial benachteiligten" Familien unterschiedlichster Ethnien zu tun, die oft an den kleinsten Hürden scheitern, weil ihnen A L L E Grundlagen fehlen!

     

    Deshalb sollten Lehrer die Benotungen ihrer Schüler vielleicht auch mal als Spiegel ihrer eigenen Fähigkeiten in der Wissensvermittlung sehen. Das tue ich selber auch!