Lehrer braucht das Land

Neue OECD-Studie stellt Pädagogen schlechtes Zeugnis aus: veraltet, demotiviert und psychisch belastet. Schnellere Reformen angemahnt. Kultusminister fordern mehr Respekt für den Beruf

BERLIN taz ■ Die Kultusminister haben auf die gestern veröffentlichte Lehrerstudie der OECD abweisend reagiert. Es sei „bei weitem nicht alles neu“, was in dem Papier stehe, wiegelte die Präsidentin der Kultusminister, Doris Ahnen (SPD), ab. Ebenso wies sie Forderungen nach politischen Konsequenzen zurück. Ihre Kollegin aus Baden-Württemberg, Annette Schavan (CDU), forderte mehr Respekt für LehrerInnen. Deren Arbeit verdiene „mehr wahrgenommen und höher eingeschätzt zu werden“. Nur so könnten sich „Autorität und emotionale Bindung“ zu den Schülern entwickeln.

Die OECD hatte, wie berichtet, Deutschlands Lehrerschaft als überaltert, demotiviert und psychisch belastet porträtiert. Die Politik, so die OECD-Gutachter, habe „nur in kleinem Rahmen und begrenzter Form“ auf die prekäre Situation der 884.000 deutschen Lehrer reagiert. Das Land sei bei Schulreformen ein Spätzünder.

Bei den Lehrerlobbys ist ein heftiger Streit um die Bewertung der Studie entbrannt. Die Bildungsgewerkschaft GEW nannte die Studie einen wichtigen Beitrag für überfällige Reformen. Dagegen beschimpfte der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, die OECD-Autoren, weil „ihr Schlechtreden und Schlechtrechnen des deutschen Schulwesens mittlerweile zum Teil des Bildungsproblems geworden ist“.

Die Vorsitzende der GEW, Eva-Maria Stange, empfahl, in der Gesellschaft für ein ganz neues Leitbild des Lehrers zu werben: „Der ‚Pauklehrer‘, der Schüler nach Schularten getrennt im 45-Minuten-Takt die gleiche Bildungsdosis verabreicht“, sei passé. Heute brauche es Lehrer, die „individuell auf ganz unterschiedliche Schüler eingehen“ könnten.

Auch die OECD hatte in diese Richtung argumentiert. Lehrer sollten künftig besser auf die „zunehmende Heterogenität der Schüler“ reagieren können. Sie müssten in der Lage sein, jeden Schüler individuell zu unterstützen, und mehr Managementfähigkeiten aufweisen. In der Studie wird angemerkt, dass ein einheitliches Lehrerbild nicht existiere. Da das deutsche Schulsystem stark fragmentiert sei, heißt es in dem Papier, „gibt es für jede Stufe und jeden Schultyp speziell ausgebildete Lehrkräfte“.

KMK-Chefin Ahnen nannte überraschend als wichtigsten Reformschritt in der Republik eine neue „Evaluationskultur“. Dann werde die Öffentlichkeit nicht mehr so aufgeregt auf Bildungsstudien reagieren. Die Politik könne „die Inspektionen nutzen, um LehrerInnen Hinweise für ihre Arbeit zu geben“.

CHRISTIAN FÜLLER

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