Lehman-Pleite: Der Sünden Lohn
Ganz gegen Luthers Empfehlungen wollte die darbende Landeskirche Oldenburg ihre Zinseinnahmen um 800.000 Euro steigern - die Lehman-Pleite könnte sie jetzt um 4,3 Millionen erleichtert haben
Dabei sind die Oldenburger doch ohnehin schon arm wie die Kirchenmäuse: Wenn am kommenden Dienstag der bisherige Kirchentagspastor Jan Janssen die Nachfolge von Peter Krug antritt, erbt er in erster Linie Sorgen. Eine große Menge Sorgen sogar, und das liegt zum Teil daran, dass Krug während seiner zehnjährigen Amtszeit als Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche Oldenburg kaum Kontur hatte entfalten können - und sich zunehmend seinem EKD-Posten, der Militärseelsorge widmete.
Die wahren Nöte der kleinen oldenburgischen Landeskirche aber - 500.000 Mitglieder zählt sie und ihr Territorium erstreckt sich von Wangerooge bis zu den Dammer Bergen - sind ganz und gar weltlicher Natur: Ohnehin ist sie die einzige westdeutsche Kirche, die am Tropf des Finanzausgleichs der Evangelischen Kirche Deutschlands hängt. Und das nicht erst seit gestern: 2007 überwies Hannover 1,5 Millionen Euro, die gleiche Summe wars 2008. Und rigidem Sparkurs zum Trotz wird man auch im kommenden Jahr so ohne weiteres nicht über die Runden kommen. So viel steht fest. Der Grund: die Lehman-Pleite.
Landeskirche? Und Lehman? Ist das nicht diese US-Investmentbank? Wie passt das zusammen? Schwer zu sagen. Jedenfalls hat die kirchliche Pressestelle gestern bekannt gegeben, man sei "dort mit unterschiedlichen Anlagen insgesamt in einer Größenordnung von 4,3 Millionen Euro engagiert" gewesen - über eine der Hausbanken. "Ob der tatsächliche Verlust in dieser Größe eintritt", heißt es weiter, "oder wahrscheinlich geringer sein wird, kann derzeit noch nicht festgestellt werden." Da hilft nur noch beten. Schließlich handelt es sich um runde sechs Prozent des Jahres-Etats: Der liegt bei 73,7 Millionen Euro. Oder, um einen plastischeren Vergleich zu wählen: Es ist gut eine halbe Million Euro mehr, als die Landeskirche 2008 für Kindergarten-Fachpersonal veranschlagt hat.
Entsprechend aufgeregt klingt auch alles weitere, was aus der geistlichen Zentrale des Ammerlandes in die Öffentlichkeit dringt. "Wir können dazu gar nichts sagen", heißt es. Man wisse es einfach nicht. Bischof in spe Janssen will sich noch nicht dazu äußern - wer könnte es ihm verdenken. Und der, der etwas wissen könnte, ist derzeit verreist.
Wahrscheinlich auf Bußwallfahrt: Noch im Herbst vergangenen Jahres hatte der Oberkirchenrat Wolfgang Friedrichs bei seiner Synoden-Haushaltsrede vor "einigen Risikofaktoren am konjunkturellen Horizont" gewarnt - und die "Bankenkrise in den USA" an vorderster Stelle genannt.
Trotzdem waren die erwarteten Zinseinnahmen um 800.000 Euro nach oben korrigiert worden - auf 4,7 Millionen. Offenkundig war man sich recht sicher, eine einträglichere Anlage-Möglichkeit gefunden zu haben. Eher zweifelhaft, dass sich dahinter wirklich nur das "kleine Notwücherlein" verbirgt, das Luther für unbedenklich hielt.
Ratlos reagierte man bei der EKD auf die unfrohe Botschaft aus Oldenburg: Ob andere Landeskirchen oder die Dachorganisation selbst mit Risikofonds ihre Kassen aufzufrischen pflegen, war gestern nicht zu klären.
Haushaltsfragen sind stets Sache der Synodalen. Und nicht etwa des Bischofs. Der kann höchstens durch eine sparsame Amts- und Lebensführung den Druck auf der Kostenseite mindern. Der 46-jährige Janssen bekannte nach der Wahl im Frühjahr, er werde die Aufgabe "mit gelassenem Selbstbewusstsein und gesundem Gottvertrauen" angehen. Der evangelische Pressedienst weiß, dass er die Nordsee mag, gerne Jazz hört und die Freizeit mit Gartenarbeit bestreitet - das sollte darstellbar sein. Ihm gehe es um ein "gemeinsames Gestalten", hatte er damals auch erzählt. Da muss er vielleicht ein wenig kürzer treten.
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