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Legehennen-Skandal in NRWNichts gehört, nichts getan

Der zuständige Amtstierarzt wusste auch mehr als 24 Stunden nach dem Tierquälerskandal in einer Eierfarm von nichts. Jetzt will er kontrollieren – aber erst nach dem Wochenende

„Ausschuss“ in der Hühnerfarm. Bild: peta

BERLIN taz | Wer wissen, will wie effizient die deutschen Behörden den Tierschutz durchsetzen, sollte in diesen Tagen den Amtstierarzt des nordrhein-westfälischen Kreises Mettmann anrufen. In dessen Beritt liegt einer der Ställe des Agrarmultis Richard Hennenbergs, wo die Tierrechtsorganisation Peta konventionelle Freiland-Legehennen fast ohne Federn und Dutzende tote Tiere gefilmt hat. Dabei zahlen Verbraucher einen Aufpreis für Freilandeier aus artgerechter Haltung.

Am Donnerstag hatte Peta das Material veröffentlicht. Mehr als 24 Stunden später fragte die taz Amtstierarzt Joachim Müller, wie er als Aufsichtsbehörde darauf reagiert. Seine Antwort: „Mir sind keine neuen Vorwürfe von Peta bekannt. Ich habe nichts unternommen.“

Auch in früheren Skandalen hatten die Veterinärbehörden, die gegen beschuldigte Betriebe vorgehen könnten, durch Trägheit geglänzt. „Sie sind in 90 Prozent der Fälle auf der Täterseite“, sagt Peta-Berater Edmund Haferbeck. „Sie sind überhaupt nicht daran interessiert, dem Tierschutz Geltung zu verschaffen.“ Wenn Probleme in ihrem Zuständigkeitsbereich bekannt würden, spielten sie alles herunter, weil ihnen sonst Schlamperei bei der Überwachung vorgeworfen werden könnte.

Amtstierarzt Müller erfuhr erst durch den taz-Reporter von dem Skandal in seinem Gebiet. Das, obwohl die taz bereits in ihrer Druckausgabe vom Donnerstag und später andere Medien über den Fall berichtet hatten. Das Müller übergeordnete Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) wusste seit spätestens Donnerstagvormittag Bescheid, denn es war bei der Peta-Pressekonferenz zu dem Fall vertreten. Auf die Frage der taz, ob das Lanuv versäumt habe, Müller zu informieren, antwortete die Behörde erst am Freitag nachmittag, die „Berichte der Presse“ seien „zwischenzeitlich“ an den Kreis Mettmann weitergeleitet worden.

Statt nun sofort den Betrieb zu aufzusuchen, kündigte Müller an, dies „Anfang nächster Woche“ zu tun. Damit hat Eierunternehmer Hennenberg das ganze Wochenende über Zeit, mögliche Missstände in Ordnung zu bringen, bevor Müller ihn kontrolliert.

Ungefragte Kritik

Auffällig war, dass der Amtstierarzt mehrfach ungefragt Tierrechtler für ihre Recherchen in Massenställen kritisierte. Die Aktivisten würden „mit Sicherheit illegal“ in die Betriebe eindringen - was Peta mehrfach unter Verweis auf entsprechene Gerichtsurteile zurückgewiesen hat. Zudem würden Verbände wie Peta in ihren Beweisvideos gern wenige kranke Tiere aus mehreren Blickwinkeln zeigen und so suggerieren, dass es um eine weit größere Anzahl Tiere gehe. Konkrete Beispiel blieb er allerdings schuldig.

So bleibt der konventionelle Betrieb Hennenberg bisher weitgehend ungeschoren. Anders als ein Biobetrieb im niedersächsischen Twistringen, der Deutschlands größten Ökoeiervermarkter Wiesengold beliefert und ebenfalls von Peta beschuldigt wird. Der Bioanbauverband Naturland hat bereits angekündigt, dem Betrieb fristlos zu kündigen. Das bedeutet, dass das Unternehmen das begehrte Siegel der Organisation nicht mehr benutzen darf.

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8 Kommentare

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  • M
    Maler

    @quer-ulantin

     

    Ich gebe dieser Organisation nicht das Rechts dazu. Ganz bestimmt nicht.

     

    Ich kaufe auch kein Fleisch für 2,99 und keine Eier, aber das ist Ihnen ja nicht wichtig. Unterstützen Sie ruhig diese radikale Organisation, deren Mitarbeiter strafrechtlich relavante Taten vollbringen. Beruhigen Sie ruhig Ihr Gewissen. Ich würde auch vorschlagen andere Organisationen zu unterstützen: z.B. Den deutschen Kinderschutzbund

  • Q
    quer-ulantin

    @nunja:

     

    Wieso zweifelhafte PETA-Organisation?

    Anscheinend kennen sie jemanden oder eine andere Organisation, die solche Aufdeckungen besser macht!?

     

    @Maler:

     

    Wer diesem "Verein" das Recht gibt?

    Solche Menschen wie Sie, denen Tierrechte egal sind - Hauptsache, sie haben ihren Schweinbraten für 2,99 das Kilo und Eier für 10 Cent das Stück auf ihrem Teller!

     

    Igitt!

  • M
    mimi-kri

    Ist der Amtstierarzt Müller vielleicht ein Schwager von dem Hennenberg!?

  • J
    Jenny

    Wann wird da endlich mal was getan??!! Wie kann man tatenlos zusehen, wenn Hennen dort elendig zugrunde gehen??

     

    Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich das Bild der toten Henne sehe...Sie durfte nur leben, um uns Eier zu spendieren, pfui Teufel, ich bin es so leid!!

     

    Wann unternimmt die Regierung mal etwas? Und WARUM sind DIE GRÜNEN bei diesem Thema nur so still?? Ist das nicht ein Kernthema von denen?

     

    Vielleicht tun die piraten ja in Sachen Tierschutz mal was!

     

    AUFWACHEN!! Liebe Regierung, tut doch mal was!!

     

    PS: sorry dass ich so emotional bin, aber dieses Bild hat mich einfach traurig gemacht... Traurig und wütend zugleich :-(

  • N
    nunja

    hier ist brutalstmögliche Aufklärung angebracht.

     

    Gut zu sehen, dass die übliche Vertuschungs-Lawine bereits am Rollen ist. Alles andere hätte mich auch gewundert und ich hätte ansonsten ernsthafte Zweifel am herrschenden System bekommen.

     

    Wer glaubt, dass es in der industriellen Lebensmittelbranche "sauber" zugeht, der glaubt auch daran, dass man Luft mit der Hand einfangen kann.

     

    Für diese Erkenntnis braucht man aber m.M. nach nicht diese zweifelhafte PETA-Organisation.

  • R
    Robbin

    Wirklich traurig, dass unsere Behörden "pennen". Ich wohne ca. 10km vom Legebetrieb entfernt und habe durch diesen Artikel erneut von diesem Skandal gehört.

     

    Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass der zuständige Amtstierarzt nichts unternimmt!

  • P
    PapierIstGeduldig

    Tatsächlich muß man davon ausgehen dass eine strategische Stellennicht- und unterbesetzung in den Ämtern und Behörden stattfindet. Dadurch kann gewährleistet werden das die Mitarbeiter keine Gelegenheit haben mal genauer hinzuschauen, oder halt zeitnah einen Tatbestand zu untersuchen.

    So ist es zB bei der Chemikalienverordnung REACH, für die fast keine Stellen geschaffen wurden. Die Akten der Industrie werden einfach in den Schrank gestellt und fertig. Der veröffentlichte Plan war, 5% der Akten zu prüfen. Aufgrund der Stellenlage sowie unterschätzter Chemikalienanzahl (wie ist das bloß passiert?) werden jetzt bestenfalls 1% geprüft. Toller Verbraucherschutz.

    So ist es auch beim neuen Tierschutzgesetz, Es wurden keine Stellen dafür bewilligt. Man kann also die Bürger mit geduldigem Papier vertrösten und gleichzeitig Business-as-usual dulden. Die Anträge wandern ungeprüft in den Schrank.

  • M
    Maler

    Woher soll er das auch wissen, wenn er von PETA nicht informiert wird. Die gehen ja lieber an die Presse und hinterher beklagen sie sich wegen der Untätigkeit. Wie lange hat die Untersuchung von PETA eigentlich gedauert? Offensichtlich haben die Mitarbeiter von PETA ja länger diese Tierquälerei in Kauf genommen und geduldet um ihre Untersuchung abschließen zu können.

     

    Ist diese Mediengeilheit eigentlich noch Tierschutz? Sollten die PETA-Mitarbeiter nicht eigentlich wegen Unterstützung von Tierquälerei angezeigt werden? Hausfriedensbruch käme auch noch hinzu. Gab es schon einmal vorsorglich ein Hausverbot? Dann käme auch noch Einbruch hinzu.

     

    Wer gibt diesem Verein eigentlich das Recht dies alles zu tun? Ich verstehe die Tierhalter nicht. Ich würde die Mitarbeiter dieses Vereins, der als finales Ziel die Abschaffung der Tierhaltung vorsieht, anzeigen.