■ Die Wiedergeburt des Volkshelden scheiterte: Legalize Maradona
Diego Armando Maradona ist eine Droge. Oft mißbraucht und gezielt eingesetzt, sowohl für innenpolitische Sauereien als auch für FIFA-Unterhaltungszwecke. Die substantielle Zusammensetzung der Stimulantie indes hat immer nur während der großen internationalen Pausen interessiert. Neben akrobatischer Genialität, traumwandlerischer Spielintelligenz gehörten zu seinem Wirkungsgrad immer auch dümmliche Pathetik und – spätestens seit seiner Anstellung im Hinterhof der neapolitanischen Mafia – auch das gefährliche, weil herrliche Kokain. Jeder hat es gewußt. Jeder holte sich, was er brauchte von diesem einfachen, mitunter schlitzohrigen Gemüt aus dem Elendsviertel von Buenes Aires: die Mannschaft den psychologischen Effekt, die Fans ihren personifizierten Gott, die FIFA den Entertaining-Manager und die abhanden gekommene Ästhetik, die Presse seine psychische Überforderung – und die Politik den Populismus.
Die Politik in Lateinamerika wählte sich immer schon die Stadien des Volkssportes als zweiten Amtssitz. Wer es schafft, unter den Heiligenschein der Fußball-Heroen zu schlüpfen, kann mit Stimmen auch von denen rechnen, denen man den letzten Krumen weggenommen hat. Staatspräsident Carlos Menem hat seinem Nationaltrainer Alfio Basile oktroyiert, den aus Figur und Form geratenen Volkshelden mitzunehmen. Ganz Argentinien fieberte der Wiedergeburt entgegen. Nur wenige haben sich Gedanken gemacht, wie der von der Mafia erpreßte, schwer verschuldete kleine Mann mit der Hand Gottes dem Druck würde standhalten können. In weniger als einem Vierteljahr schwitzte er unter dem Drangsal „wissenschaftlicher Spezialprogramme“ zwölf Kilo aus dem Bauch. Die ganze bigotte Welt erlag mal wieder dem Phänomen Maradona. Doch die Wissenschaft ist unbestechlich und gerecht. Sie förderte ein Geheimnis zutage, das nichts anderes entlarvt als die Doppelmoral der Gaffer und Nutznießer, die jetzt vermutlich noch ein Schlachtfest über dem in Stücke Zerrissenen feiern. Natürlich hat er sich Ephedrin in die Nase gesprüht. Nicht etwa aus Versehen und nicht etwa, weil das Schnupfenmittel für zartbesaitete Kinder kurzzeitig aufregend wirken kann, sondern weil es den Nachweis vom wirklichen mothers little helper erschwert.
Maradona und auch sein kongenialer Vollstrecker Claudio Caniggia sind Drogen, die nach Jahren hoher Dosierung allerdings nur noch durch die Streckung mit anderen Drogen wirken. Millionen Abhängige können sich nicht irren. Deshalb ist es an der Zeit, den politischen und schlagzeilenträchtigen Mißbrauch zu verhindern. Und deshalb muß der gezielte sportliche Einsatz legalisiert werden. Der argentinische Staatschef Menem sollte sich schleunigst überlegen, welche Form der Staatsrente am plausibelsten wäre, und seine Biochemiker auf Trab bringen, um endlich ein wirksames Präparat für die alternden, unter Druck gesetzten Rauschgestalten des Fußballs zusammenzubrauen, das nicht mehr nachweisbar ist. Ansonsten bitte keine Beschwerden mehr über das Fehlen faszinierender Persönlichkeiten. Broka Herrmann
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