Legaler Handel mit Spendernieren im Iran: Die Schulden mit der Niere bezahlt
Im Iran können Spender ihre Nieren legal verkaufen. Das höchst umstrittene System verhindert Wartelisten und schwächt den Schwarzmarkt.
Wer sich als Spender zur Verfügung stellt, erhält umgerechnet etwa 4000 Euro. Nach Ansicht von Kritikern ist genau das aber ein Problem. Denn die Verlockung, sich für diesen Preis freiwillig unters Messer zu legen, dürfte vor allem für ärmere Menschen groß sein.
Um eine indirekte Ausbeutung der wirtschaftlich Schwachen zu verhindern, lehnt die Weltgesundheitsorganisation WHO vehement jede Form der „Kommerzialisierung“ von Organtransplantationen ab. In fast allen Ländern wird dies auch so gehandhabt. Der Sonderweg des Irans hat zum Teil historische Gründe. Einige Experten fordern inzwischen aber, zumindest Teile des Modells auch anderswo einzuführen. Denn das Ergebnis ist – bei aller Kritik – in zweifacher Hinsicht bemerkenswert.
Während in Ländern wie Indien, Pakistan oder den Philippinen ein kaum zu kontrollierender Schwarzmarkt für menschliche Organe entstanden ist, gelten im Iran klare Regeln. Und während in vielen westlichen Ländern unzählige Patienten auf eine Spenderniere warten, und jedes Jahr Tausende von ihnen sterben, weil sie nicht rechtzeitig eine bekommen konnten, ist die Warteliste im Iran seit Einführung des Systems praktisch vollständig abgebaut.
Jeder Mensch wird mit zwei Nieren geboren. Im Normalfall ist eine aber ausreichend, um das Blut zu reinigen und damit ein gesundes Leben zu ermöglichen. Wer das Risiko einer Operation in Kauf nimmt, kann also eine seiner Nieren abgeben. Die Blutgruppen von Spender und Empfänger sollten zwar zusammenpassen. Die beiden Personen müssen aber nicht miteinander verwandt sein. Aus rein medizinischer Sicht steht einem umfassenden „Handel“ also nichts im Wege.
Selbst für die USA interessant
„Einige Spender haben durchaus finanzielle Motive. Das können wir nicht bestreiten“, sagt Haschem Ghasemi, Leiter des Iranischen Patientenverbandes für Dialyse und Transplantationen. „Und einige Leute wollen einfach nur etwas Gutes tun.“ Anders als im globalen Schwarzmarkt gibt es im Iran keine dubiosen Zwischenhändler, die an dem Geschäft kräftig mitverdienen. Wer hier eine Niere braucht, wird an den Patientenverband verwiesen. Der kümmert sich dann um die Vermittlung. Die Kosten für die Operation werden vom Staat übernommen.
Nieren wurden im Iran erstmals 1967 verpflanzt. Nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 waren solche Operationen aber zunächst kaum noch möglich, vor allem wegen der internationalen Sanktionen. In den 80er Jahren durften Patienten für eine Transplantation ins Ausland reisen. Aber die fast überall länger werdenden Wartelisten, die hohen Kosten und vor allem die Folgen des langjährigen Krieges gegen den Irak machten schließlich auch dies unmöglich. Im Jahr 1988 wurde deswegen das System etabliert, das im Wesentlichen bis heute besteht.
Nach Angaben der Regierung profitieren im Iran inzwischen jährlich etwa 1.500 Patienten von einer Lebendnierenspende, und damit 55 Prozent der insgesamt 2.700 Menschen, die eine neue Niere erhalten. Zum Vergleich: In den USA erhält nur etwa ein Drittel der Empfänger das neue Organ von einem lebenden Spender – und dieser Unterschied ist bedeutend, denn nach Angaben des United Network for Organ Sharing (UNOS), das in den USA die Transplantationen koordiniert, „hält“ eine Ersatzniere von einer verstorbenen Person im Durchschnitt etwa 10 Jahre, während es bei einer Lebendnierenspende 15 Jahre sind.
Die Gesamtzahl der Transplantationen in den USA im Jahr 2015 lag laut UNOS bei 17 878. Insgesamt 4.481 Patienten seien gestorben, weil keine passende Niere zur Verfügung gestanden habe. Fast 100.000 Personen stünden weiter auf der Warteliste.
Aufgrund dieser Zahlen haben zuletzt namhafte Wissenschaftler angeregt, Möglichkeiten des legalen Kaufs von Nieren auch für die USA in Betracht zu ziehen – etwa in einem Fachartikel des „American Journal of Transplantation“. Auch Sigrid Fry-Revere, Präsidentin und Mitbegründerin des American Living Organ Donor Network, sagt, dass einige Aspekte des iranischen Programms aus ihrer Sicht auch für andere Länder interessant sein könnten, wenngleich sie jede Art eines profitorientierten Handels ablehne.
Niere gespendet, um Schulden abzubezahlen
Dass das Geld im iranischen System für viele Spender ein wesentlicher Antrieb ist, steht allerdings außer Frage. Im Umkreis vieler Krankenhäuser in Teheran wird gezielt dafür geworben, eine Niere gegen Bares einzutauschen. Er sei hier, um mit dem Geld, das er für sein Organ bekommen werde, seine Schulden abbezahlen zu können, sagt ein Mann, der anonym bleiben möchte – im Iran drohen Schuldnern Gefängnisstrafen. „Mein Leben und mein Ruf sind in Gefahr. Das hat mich dazu gebracht, das hier zu tun“, sagt er.
Für die, die dringend eine neue Niere benötigen, ist das System trotzdem ein Segen. Die 52-jährige Hadschikarimi hängt seit vier Monaten regelmäßig an den Dialyse-Geräten, weil die Ärzte erhöhte Proteinwerte in ihrem Urin festgestellt hatten. „Es wäre sehr schwer, sich ein Leben ohne die Möglichkeit einer Nierenspende vorzustellen“, sagt sie. Dann gäbe es für sie keine Möglichkeit, wieder gesund zu werden. „Es wäre ein totales Chaos und sehr qualvoll.“
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