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Leerstand seit der Räumung vor zwei JahrenBrunnen 183 modert vor sich hin

Vor zwei Jahren wurde das Exalternativhaus Brunnenstraße 183 geräumt. Passiert ist bis heute - nichts. Jetzt aber will ein neuer Eigentümer ganz zügig bauen

Die Brunnenstraße 183 bei der Räumung vor zwei Jahren Bild: ap

Noch immer lugen die leeren Fensterhöhlen aus der verwitterten Fassade, fegt der Wind durch die verwaisten Etagen. Es gibt kein trostloseres Haus in der Brunnenstraße als das mit der Nummer 183. Genau vor zwei Jahren, am 24. November 2009, wurde das 1990 einst besetzte, alternative Hausprojekt mitsamt seinem Umsonstladen geräumt. 600 Polizisten rückten zu dem Großeinsatz an, mehrere hundert Linke protestierten. Passiert ist seit der Räumung - nichts. Nun aber könnte neues Leben einkehren: Ein neuer Eigentümer will ab Anfang 2012 mit Sanierungsarbeiten beginnen.

Die Neuen sind die Geschwister Christoph und Catharina Birkel: Hamburger Immobilienunternehmer der eine, Schmuckdesignerin die andere. Deren Vater war lange Jahre Geschäftsführer des Nudelherstellers Birkel, bis 1990 ein Familienunternehmen. Der Verkauf der Brunnenstraße 183 sei bereits Ende 2010 erfolgt, sagte ein Sprecher von Christoph Birkel der taz. Geplant seien Mietwohnungen "im mittleren Preissegment". Im Erdgeschoss soll Gewerbe entstehen, im Hinterhof "ein kleines Townhouse". Noch aber stünden Baugenehmigungen aus, so der Sprecher. "Wir rechnen mit einem Baubeginn 2012, Einzug 2013."

Allerdings: Auch der Vorbesitzer, der Passauer Arzt Manfred Kronawitter, hatte nach der Räumung 2009 stets versichert, "demnächst" bauen zu wollen. Die ausbleibenden Arbeiten begründete er mit einem Streit mit dem Bezirk über den Abriss eines Seitenflügels und mit den "unglaublichen Zerstörungen im Haus", verursacht von von Exbewohnern und Räumungsgegnern. Kronawitter plante ein Mehrgenerationenhaus - als Neubau. Ein entsprechender Vorbescheid wurde damals allerdings negativ beantwortet, heißt es aus dem Bezirksamt Mitte. Der Altbau sei zu erhalten. Noch im September 2010 sagte Kronawitter der taz, bis zum damaligen Jahresende bauen zu wollen. Offenbar aber plante er längst den Verkauf des Hauses.

Und der lohnte sich: Birkels Sprecher bestätigt einen Verkaufspreis von knapp 1,3 Millionen Euro. Laut dem Anwalt der letzten Hausbewohner kaufte Kronawitter 2006 das Haus für lediglich 285.000 Euro. Kronawitter will sich heute nicht mehr zu dem Objekt äußern.

Die Birkels setzen nun auf Sanierung statt Neubau. Ihre Bauanträge - inklusive neuer Balkone und dem Ausbau der Dachgeschosse - reichten sie nach taz-Informationen aber erst Mitte Juli ein. Die Baugenehmigung stehe noch aus, da Unterlagen von den Eigentümern nachgefordert werden mussten, heißt es aus dem Bezirksamt.

Der bis zur Wahl amtierende Baustadtrat in Mitte, Ephraim Gothe (SPD), der den Hickhack um die Brunnenstraße 183 über Jahre begleitete, glaubt diesmal an einen schnellen Baubeginn. "Die Ortslage ist ja gerade super gefragt." Bis dahin aber bleibt das Haus mit der Nummer 183 weiter eine hässlich mahnende Trutzruine im aufstrebenden Hypedistrikt Rosenthaler Platz. An der Fassade prangt bis heute in großen Lettern: "Wir bleiben alle".

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5 Kommentare

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  • W
    @weinrot

    sehr seltsame Einstellung. Polizeiarbeit ist immer noch eine hoheitlich staatliche Aufgabe, die aus öffentlichen Mitteln bezahlt wird. Ich habe keinen Bock in einer Welt zu leben, in der jeder Privat für Sicherheit bezahlen muss.

  • C
    Claudi

    Naja, wenn man sich anschaut, was die Nachbarn aus der Liebig 34 dem Gebäude und den neuen Mietern der Liebig 14 antun, ist es doch mehr als verständlich, wenn ein Käufer erstmal ein bisschen Gras über alte Geschichten wachsen lässt, bevor er viel Geld in die Sanierung einer Ruine steckt.

  • ZO
    Z. Ornige

    es ist unglaublich und sowas passiert jeden tag hier und anderswo. wer könnte es den bewohner_innen verübeln, wenn sie ihren frust an "verhandlungspartnern" aus dem bereich staat und kapital endlich mal rauslassen. leute die nichts hatten, außer ein abgerocktes haus wurden richtig mies verarscht. wenn jetzt der chauvinistische asozialen-vorwurf kommt: wie hätte diese verarmten leute das haus sanieren können?

     

    das mindeste was dieser ach so soziale arzt jetzt machen könnte, wäre den vertriebenen menschen, die auf seine veranlassung auf die straße gesetzt wurden, seinem fetten spekulationsgewinn zu übertragen. das wird aber ganz sicher nicht geschehen. warum? kann man den humanisten oder christen ja mal fragen.

     

    das muss man sich mal auf der zunge zergehen lassen:

    da wird ein reicher mensch noch viel reicher, nicht weil er irgendetwas "geleistet" hätte wie die bürgerliche ideologie uns verdummt, sondern aus dem einzigen grund heraus, weil er sich in einer künstlich geschaffenen konkurrenzsituation mit viel geld durchsetzte.

     

    konkret bedeutet das:

    er sucht vorausschauend nach immobilien die er nicht braucht aber andere. er spekuliert also auf ein zukünftiges kaufinteresse und muss dafür zuerst genutzten und notwendigen wohnraum vernichten. das hat mit sozialem anspruch so gar nichts zu tun, denn er erhofft sich ja aus dem betrieb seiner altenabsteige wiederum ordentliche gewinne (sonst kann er das ganze eh gleich vergessen), die die vormaligen bewohner_innen ihm anscheinend nicht geben konnten. dann führt er ein paar gespräche, malt ein lustiges konzept aufs papier, setzt unterschriften und überweist sein geld. nicht mehr und nicht weniger hat er da vollbracht. aber die kapitalistische wahnsinns-normalität ist den leuten ja zur natur geworden.

    alle diese naturschützer und naturschützerinnen in diesem land werden sich aber noch umgucken, wenn die sozialen gegensätze noch weiter zunehmen. wenn wir im stadtzentrum ein abgeschottetes reichenghetto haben, dann wohnt sich richtig gut für alle in diesem "arm aber sexy" berlin (wie zynisch dieses image gegenüber den unteren lohnabhängigen, den illegalisierten, den brandenburgischen und polnischen pendlern). zum glück gibts aber auch andere orte dieser welt, wo besetzungen und enteignungen nicht kriminalisiert und repressiert werden, weil es einfach die masse der menschen aus einem unaufschiebbaren und unbefriedbaren grundbedürfnis tut und die "eigentümer" dumm aus der wäsche gucken, weil es kein gewaltmonopol vermag ihre privatinteressen durchzusetzen. es bedarf also keiner bestimmten politischen orientierung (wie noch in berlin) um diesen sozialen wandeln zu realisieren. der borniertheit wird also auch in zukunft widerstand geboten, ganz unabhängig davon ,dass das geschichtsautomatische bewusstsein der meisten leute nicht ausreicht die ursachen dessen zu erkennen.

     

    das ganz ding ist ein direkter angriff auf die menschen im haus gewesen. wer was anderes behauptet ist vollkommen blind für dieses in recht gesetzte gewaltverhältnis. ich wünsche den vertriebenen erfolg sich gegen diesen angriff zu wehren.

  • W
    weinrot

    "Und der lohnte sich: Birkels Sprecher bestätigt einen Verkaufspreis von knapp 1,3 Millionen Euro. Laut dem Anwalt der letzten Hausbewohner kaufte Kronawitter 2006 das Haus für lediglich 285.000 Euro."

     

    na da hat der saubere herr kronawitter ja noch genug über, um den polizeieinsatz für seine räumung zu bezahlen. ich denke, wenn er die stadt berlin mit seinen vorhaben täucht, sollte diese darauf bestehen.

  • D
    Daniel

    Diese Geschichte macht mich immer noch unfassbar wütend.

    Kronawitter behauptete bis zum Schluss, er hätte beim Kauf nichts von der Besetzung gewusst.

    Die Politik hat sich offensichtlich zum Handlanger privater Profitinteressen gemacht und den Polizeieinsatz darf der "Steuerzahler" bezahlen.

    Ein Mehrgenerationenhaus zu bauen, war wohl nur ein Argument, um Wohltätigkeit gegen alternative Lebensweisen auszuspielen.

    Menschen wurden im November auf die Straße gesetzt, haben zum Teil ihr Hab und Gut verloren.

    Unsere Trauer und Wut sind noch lange nicht verflogen. Ich hoffe, die neuen Eigentümer haben das mit einkalkuliert.