piwik no script img

„Leerstände sind ganz normal“

■ 50 Wohnungen stehen in Winterhude zwecks Sanierung seit über einem Jahr leer / GAL wittert Wucher, Bezirk wiegelt ab Von Heike Haarhoff

Einen „typischen Wohnungsskandal, dem das Bezirksamt untätig zusieht“, wittert Nord-GALier Michael Tilgner in Winterhude: Mindestens 50 der insgesamt 240 frei finanzierten Wohnungen in den fünfgeschossigen Altbaublöcken zwischen Poßmoorweg, Gottschedstraße, Heidberg und Kaempsweg „stehen zum Teil seit mehr als einem Jahr leer“. Für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden steht aufgrund eigener Beobachtung und Beschwerden von MieterInnen fest, daß „hier absichtlich preiswerter Wohnraum nicht genutzt wird, um später Quadratmeterpreise, die an Mietwucher grenzen, verlangen zu können“.

Dem Bezirksamt, so Tilgners Vorwurf, seien die langen Leerstände mindestens seit zwei Jahren bekannt: „Die GAL hat immer wieder darauf hingewiesen, aber das Bezirksamt hat mit wohlfeiler Zurückhaltung reagiert.“ Fraktionen und Ausschüssen sei wiederholt mitgeteilt worden, die Leerstände in dem frei finanzierten Wohnungsbau seien ganz normal, weil sanierungsbedingt. Solche Sprüche hängen der GAL-Fraktion zum Hals heraus: Im Unterausschuß für allgemeine Angelegenheiten des Kerngebietsausschusses Nord (UafA) hat sie gestern abend per Antrag den Bezirksamtsleiter aufgefordert, den Wohnungsleerstand zu beenden, Vermietungsgebote zu erlassen und den Verdacht auf Mietwucher zu überprüfen.

Daneben müsse geklärt werden, was eigentlich in den Wohnungen passiere. Denn Tilgner ist überzeugt, daß „da gar nicht großartig ausgebessert wird“. Nur die Treppenhäuser würden renoviert, und in den Wohnungen ein bißchen herumgepinselt. „Ökologisch völlig unsinnig“ lasse die Hausverwaltung Arnold Hertz, die die Wohnungen im Auftrag einer Eigentümer-Erbengemeinschaft vermietet, außerdem Gasheizungen gegen Nachtspeicheröfen austauschen.

„Die Renovierungsarbeiten dauern in der Regel nicht länger als zwei Monate“, weist deren Proku-rist, Karl-Heinz Pacholke, die Kritik von sich. Daß immer wieder Wohnungen leer stünden, „liegt daran, daß wir schrittweise vorgehen“: Sobald ein Mieter ausziehe, werde mit den Modernisierungsarbeiten begonnen. Das sei auch mit dem Bezirksamt so abgesprochen. „Und bei der anschließenden Neuvermietung ist es marktüblich, daß die Mieten steigen“, lehrt Pacholke allgemeines Mietrecht. „Alles“ bewege sich aber im Rahmen des zulässigen Mietspiegels. Wie hoch die Mieten genau seien, kann der Prokurist „jetzt nicht so schnell herausfinden“.

Michael Tilgner ist ihm da behilflich: 15 Mark pro Quadratmeter würden als Nettokaltmiete abkassiert. „Das steht in keinem Verhältnis zu den sonst üblichen acht bis zwölf Mark in Wohnungen, die zudem viel komfortabler sind.“ Bezirksamtsleiter Jochen von Maydell konnte gestern „mit meinem aktuellen Sachstand die Behauptungen der GAL nicht bestätigen“, versprach aber, dem nachzugehen: „Wir sind ja dankbar für den Hinweis.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen