piwik no script img

Archiv-Artikel

Leberhaken „Dit kann ick ooch noch“

Als ob das Schwergewicht nicht ohnehin schon genug Probleme hätte, droht jetzt auch noch das Comeback des Axel Schulz

„Dit kann ick ooch noch“, soll Axel Schulz gesagt haben, als er am 17. Dezember den Weltmeisterschaftskrampf im Schwergewicht zwischen Zirkusattraktion Nicolai Valuev und John Ruiz am Ring verfolgt hatte. Zur Erinnerung: Valuev, der haarige Zwei-Meter-dreizehn-Mann, war nach Punkten klar ausgeboxt worden. Titelverteidiger Ruiz hatte fast alles richtig gemacht, war in den Mann gegangen, hatte seine Treffer angebracht und schnell wieder raus oder geklammert, bevor Valuev, der langsamste Schwergewichtler aller Zeiten, auch nur reagieren konnte. Schön anzusehen war das nicht, aber dass Valuev von den Punktrichtern dann auch noch den WBA-Titel geschenkt bekam, hat vielen Boxfans die Lust aufs Schwergewicht noch gründlicher verdorben.

Und an eben diesem Abend soll es nun geschehen sein, dass Promoterlegende Don King, immer mit einem guten Riecher fürs Geldverdienen ausgestattet, Axel Schulz ein Comeback angeboten hat. Und siehe da: Der Deutsche aus Brandenburg, der nach seiner klaren TKO-Niederlage gegen Wladimir Klitschko 1999 seine Karriere beendet hatte, überlegt nun ernsthaft, ob er wieder boxen soll, findet all das sehr reizvoll, und wenn man der Bild, dem Fachblatt für gesteuerten Massenvoyeurismus, glauben kann, diskutiert seither „ganz Deutschland“ über die Frage, ob der Werbeträger für Fackelmann-Grillerzeugnisse sich noch einmal im Ring hauen soll.

Dabei ist die Diskussion ein Déjà-vu: Schon für April 2000 hatte Schulz ein Angebot von Don King, gegen Mike Tyson zu boxen. Der war damals schon über seinem Zenit, aber immerhin war er noch nicht von Lennox Lewis und inzwischen etlichen anderen verprügelt worden – und seine Selbststilisierung als „eigentlicher“ Weltmeister, der nur durch eigene Blödheit dauernd im Knast saß und deshalb nicht boxen konnte, nahmen einige noch für bare Münze.

Doch Axel Schulz, der nach seinem Klitschko-Kampf gesagt hatte, bei einer so klaren Niederlage komme man gar nicht mehr auf den Gedanken, es noch einmal zu versuchen, winkte ab. Sein Trainer Uli Wegener, der die Schlussphase der Klitschko-Prügel mit vors Gesicht gehaltenen Händen erduldet und irgendwann aufgehört hatte, „mach dit jetze!“ zu brüllen, konnte nicht widersprechen.

Heute, einen Niedergang des Schwergewichts und viele Talkshows später, ist das plötzlich alles ganz anders. Als ob das Profiboxen endgültig den Schritt zurück zur alten Rummelplatzveranstaltung fände, wirbt die Bild-Zeitung für den Kampf: „Unser Axel gegen die Box-Bestie“. Uli Wegener und Schulz’ langjähriger Trainerlangweiler Manfred Wolke („ruuuhig, gaanz ruuuhig“) behaupten, Schulz könne mit guter Vorbereitung ohne Weiteres ein Comeback wagen, und ventiliert werden Börsen von bis zu fünf Millionen US-Dollar für Schulz und Tyson.

Da tobt der Boulevard, der Boxfan aber ärgert sich. Nur ist das natürlich Blödsinn: Im Profiboxen ist jede Paarung legitim, die genug Menschen sehen wollen, solange es sich um Boxer handelt und nicht um Stefan Raab. Und nicht einmal Muhammad Ali hatte schließlich der Versuchung widerstehen können, lange nach seiner großen Zeit mit Catchern und zweitrangigen Boxern in den Ring zu steigen, um noch ein bisschen Geld zu verdienen. Bloß: Der war nun im Unterschied zu „Dit kann ick ooch noch“-Schulz wirklich mal ein Großer, dem nichts und niemand mehr den Respekt nehmen konnte, den er sich davor erkämpft hatte.

Schulz’ großes Vorbild, so sagt er, ist jetzt George Foreman, der mit 45 bei seinem Comeback noch mal Weltmeister geworden war. 90 Prozent der Besucher auf seiner Website seien für ein Comeback, behauptet Schulz zudem, und damit das niemand nachprüfen kann, ist die Seite seit ein paar Tagen offline.

Es kommt nicht oft vor, dass Promoter Wilfried Sauerland öffentlich die Wahrheit spricht, aber diesmal hat er Recht: Schulz „hat dreimal um eine WM und zweimal um eine EM geboxt. Gewonnen hat er nie. Was sollte er jetzt gewinnen?“ Sauerland schließt aus, dass Schulz für seinen Stall boxen könnte, und will auch seinen Trainern Wolke und Wegner verbieten, mit Schulz zu arbeiten. Dafür, Herr Sauerland, ausnahmsweise herzlichen Dank.

Bleibt nur zu befürchten, dass sich irgendjemand anders schon finden wird. BERND PICKERT