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Lebenslüge der Bundesrepublik

Bismarck, Hitler, Adenauer, Kohl - vier Männer, ein Wahn  ■ Z U S C H R I F T

„Wiedervereinigung“ war die Lebenslüge der Bundesrepublik. Unionsparteien sollten nicht gestikulieren, als stünden sie in der Tradition Adenauers, wenn sie Nationales feiern. Adenauers große Tat war nämlich, die Nation unterzuordnen unter höhere Ziele, das war aus seiner Sicht: Europa.

Nur weil die Deutschen nicht wahrhaben wollten, daß sie gespalten sind, beschwor man die Einheit, die nur wenigen wirklich wichtiger war als anderes, beispielsweise Kurt Schumacher (SPD).

„Die Einheit und Freiheit Deutschlands vollenden“ geht nicht über Beitritt der DDR zum Grundgesetz. Ein Beitritt erbrächte nur wieder eine unvollendete Einheit-und-Freiheit, so wie Bismarck oder Hitler nur höchst unvollendete Reiche geschaffen haben.

Eine vollendete Einheit-und-Freiheit gelingt nur bei Verzicht auf jeden gestrigen Nationalismus, der die Nation und ihren Ausdruck: die WehrMacht - zum Heiligtum macht. Wir müssen zugleich mit der Einheit der Deutschen die Freiheitsgefahr namens Krieg bannen, also wenigstens im Bereich der Wehrfragen das Nationalprinzip auslöschen. Deutschland darf nie wieder ein Reich mit einer Armee sein.

Deutschland-als-Ganzes liegt in der Verantwortung der vier Mächte. Selbst eine Ausdehnung des Bundesgebiets zur Oder/Neiße würde Deutschland-als-Ganzes noch nicht aus der Verantwortung der ehemaligen Sieger zurückholen. Beide deutsche Staaten sind zwar souverän, aber keiner ist als einzelner jenes Deutschland, das den Siegern unterliegt. Gesamtdeutschland hat also eine Verfassung: das Recht der Sieger. Die Sieger regieren jene „Reichsebene“, die Hitler hinterließ, nach wie vor.

BRD, DDR und Berlin sind schon jetzt nur Teile dieser übergeordneten Ebene. Es geht in der Einheitsfrage also darum, auf der Ebene oberhalb von BRD und DDR etwas Neues zu schaffen, das für Europa verträglich ist.

Norbert Otterbeck/Bonn (gekürzt)

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