Lea Schneider:
Überforderung, die. Unkontrollierter Zustrom von Kräften zu einem Spiel, das man bezweifeln, aber nicht aufgeben kann; Obergrenzen bislang unbekannt. Weiterhin: Das Ergehen in der Euphorie, man sei weitgehend alleine da, d.h. ein Einzelfall; eine Zahl, großzügig bemessen wie Stacheldraht. Weiterhin: Im Europa der Schlauchboote eine Folge der eigenen Faust, die auf ungebremsten Kleinmut dringt. Ein Trampelpfad fürs Bedauerliche, für den Kuhhandel, mit dem dieser Kontinent eingesetzt hat. Man kann das besichtigen, wenn man will: Als Massenwanderung von Zugeständnissen, als eine ganze Ägäis voll rechtspopulistischer Game Changer, als Balkanroute der Verpflichtungen, die man praktisch aufgegeben hat, als Patrouillenschiff der Herkunft, die immer noch verpflichtend ist. Man kann das sein lassen, wenn man will.
siehe auch: ▶Zaun, der; ▶Humanität, die
Der gegenwärtige Diskurs um Flucht und Migration besteht weitgehend aus Schlagworten mit schwammiger Bedeutung – was auch ihre politische Sprengkraft ausmacht. Zeit für einen lyrischen Lexikoneintrag, der zumindest einen dieser Begriffe definiert; mit dem Wortmaterial, das der Diskurs selber liefert, d.h. in diesem Fall ausschließlich aus Daniel Bax‘ Text collagiert.
Lea Schneider, geboren 1989 in Köln, lebt in Berlin. Letzte Veröffentlichung: „Invasion rückwärts“ (Verlagshaus Berlin 2014)
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