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Lautsprecher und Leisetreter

■ Die Kunsthalle in neuestem Licht: eine Ausstellung mit den Aspiranten auf den „Kunstpreis der Böttcherstraße"

Im besten Licht zeigt sich derzeit die Bremer Kunsthalle: Die Risse ausgebessert, die Wände frisch geweißt, alles hell ausgeleuchtet ein strahlendes Entree für die Ausstellung der „Kunstpreis"-Aspiranten. Doch der schöne Schein trügt. Der helle Eingangsraum ist bereits ein Kunststück für sich: Gerhard Merz hat sich der betagten Innenarchitektur des Hauses angenommen und ihr ein Makeup von geradezu beunruhigender Makellosigkeit verpaßt. Damit steht Merz in einer Reihe von Künstlern, die sich im diesjährigen Wettbewerb mit den Bedingungen des Kunstbetriebs auseinandersetzen, und dabei auch die Kunsthalle nicht verschonen.

So konfrontieren die Bewerber um den Kunstpreis (der wieder unter dem Titel „Kunstpreis der Böttcherstraße“ firmiert) die älteren Bestände des Hauses mit den Fragen der Gegenwartskunst. In Zeiten der Post- Avantgarde sind es der Fragen freilich viele: Der private Stifterkreis und die Kuratoren haben hier mit viel Umsicht einige der spannendsten Positionen zeitgenössischer Kunst zusammengetragen. Bunt und lärmend zeigt sich die Kunst, auch vordergründig plakativ, dann wieder rätselhaft und schließlich still, ganz auf sich selbst und ihren Raum konzentriert.

Im Habitus eines Kunstgelehrten tritt Thomas Huber gerne auf. Redet Kluges über das das Schöpfen von Bildern, über das Maßnehmen in der Kunst. In Hubers gläsernen Kunstgefäßen hat diese Philosophie des Eichens und (Er-)Messens von Kunst ihren anschaulichen Ausdruck gefunden. So ruhen sie nun in einer prächtigen Vitrine, von betörender Vollkommenheit — ja: So perfekt durchdacht und abgeschliffen erscheint das ganze Konzept, daß es bald unantastbar wirkt.

Mit einer ähnlich kühlen Ausstrahlung begegnen uns die Arbeiten von Martin Honert. Wie Huber, stellen seine Werke praktisch in Form gegossene Theorie dar. Aus Harz und Kunststoffen gießt er seine Figuren, erstarrte Gestalten aus der Erinnerung des Künstlers, die an kollektive Erlebnisse des Publikums appellieren. Wie aus einem Familienalbum der 50er Jahre wirkt das Bild, das Honert für die Bremer geschaffen hat: ein trauriger Bub am Küchentisch, leicht vergilbt alles, in hübschen Sepia- und Pastelltönen der Zeit gehalten. Gerade die Akribie aber, mit der Honert seine nostalgischen Ansichten nachbastelt und abschließend lackiert, läßt die Figuren wie schockgefrostet wirken.

Mit den Holzköpfen des Bildhauers Stephan Balkenhol haben Honerts Stellvertreter nicht nur das Medium gemeinsam. Beide zählen zu Künstlern einer jungen Generation, die ihre eigene Person nach außen kehren und diese zum Maßstab für den Betrachter machen. Eine grundlegend andere Position ist in der Kunsthalle Honerts Arbeit gegenübergestellt: Karin Sander hält uns nicht ihr Abziehbild, sondern einen veritablen Spiegel vor. Vis-a-vis von Honerts Kerlchen hat Sander die blanke Wand der Kunsthalle abgeschliffen, geschmirgelt und poliert - solange, bis eine leicht reflektierende Fläche entstand. So sind auch die Grenzen zwischen Architektur und Wandbild, zwischen Kunstwerk und Kontext verschliffen. Und statt eines bleibenden Bildes entstehen laufend flüchtige Spiegelbilder, die wir selbst auf die Kunst werfen.

Üben Sander und der eingangs erwähnte Merz schon größte Zurückhaltung, was monumentale und bildmächtige Setzungen anbelangt - der Klangzeichner Rolf Julius ist an Feinfühligkeit nicht zu unterbieten. Hinter jeden zweiten Ecke lauern seine Klanginstallationen: frei schwingende oder auch listig versteckte Lautsprecher, die ein unterschwelliges Gezirpel und Gemurmel in den Raum aussenden. Naturlaute und künstliche Klänge vermischen sich da und schaffen ganz neue Bilder in den weiten Ausstellungshallen - ohne große Gesten, ohne grelle Farbe. Thomas Wolff

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