Laute Künstler: Gängeviertel im Leerlauf
Das Bauprüfamt will im Gängeviertel Konzerte wegen mangelndem Schallschutz verbieten. Aus "Solidarität" haben die KünstlerInnen nun die Ausstellungen geschlossen.
Anfang Januar half mitunter noch ein Glas Sekt, um das Problem in den Griff zu kriegen. Das Problem waren die Beschwerden von Anwohnern, denen die eine oder andere musikalische Veranstaltung im Gängeviertel zu laut war. Den Sekt brachten die "Nachbarschafts-Beauftragten" in der Hoffnung, die Beschwerdeführer zu besänftigen. Parallel dazu dämmten die Gängeviertel-Künstler die Gebäude, so gut es ging.
Ganz aus der Welt schaffen ließ sich das Problem aber weder durch Sekt noch durch Dämmmaterial. Außerdem sind es mittlerweile nicht mehr die Nachbarn, die das Problem haben, sondern das Hamburger Bauprüfamt.
Das will den KünstlerInnen Musik-, Konzert- und Filmveranstaltungen verbieten, wenn die Künstler weiter bestimmte Flächen für ein Programm nutzen, für das es keine Genehmigung gibt.
Ob es zu einem solchen Verbot kommt, soll bei Gesprächen und einem Begehungstermin vor Ort geklärt werden, sagt die Sprecherin des Bezirksamts Mitte, Sorina Weiland. Nicht wahr ist, dass es dieses Verbot bereits gibt, wie die Bild-Zeitung am Mittwoch unter der realitätsfernen Überschrift "Party-Randale im Gängeviertel" berichtete.
Auch die Gängeviertel-KünstlerInnen schreiben auf ihrer Website, das Bauprüfamt habe ihnen "bis auf alle reinen Kunstausstellungen die weitere Nutzung untersagt". Da sie ihr Projekt nicht als reines Kunstprojekt sehen, sondern unter anderem auch Konzerte und Filmabende veranstalten wollen, haben sie "aus Solidarität" alle Ausstellung im Gängeviertel bis auf weiteres geschlossen. Allerdings solle es ein Alternativprogramm geben, beispielsweise in Form eines Videos, auf dem eine Ausstellung in abgefilmter Form zu sehen ist, sagt Gängeviertel-Sprecherin Christine Eberling. Man hoffe, Ende des Monats mit dem bereits geplanten Programm weitermachen zu können.
Stellt sich die Frage, warum sich das Bauprüfamt erst jetzt mit den Veranstaltungen im Gängeviertel beschäftigt - schließlich wird das Quartier seit sieben Monaten von den Künstlern bespielt. Ausschlaggebend waren "diverse Beschwerden wegen Lärm", sagt Bezirksamts-Sprecherin Weiland. Daneben moniere das Bauprüfamt vor allem den fehlenden Brandschutz.
Gängeviertel-Sprecherin Ebeling sagt, es gebe unter den Künstlern im Gängeviertel die Verabredung, "auf den Lautstärkepegel zu achten. Leider ist das nicht immer gelungen. Wir versuchen, einen Ort zu schaffen, wo das Problem nicht mehr auftritt."
Nachdem sich das Bauprüfamt geäußert hatte, verlegten die Gängeviertel-Künstler bereits eine Podiumsdiskussion am vergangenen Donnerstag aus Protest in den Eingangsbereich der U-Bahnhaltestelle Gänsemarkt.
Oberirdisch dagegen fand am Samstag der Auftritt des Performance-Band "Caracho" statt. Die Herren mit den weißblonden Perücken und der phonstarken Disco-Musik waren im Zeichen des zivilen Ungehorsams auf Guerilla-Tour und spielten im Schanzenviertel, in der U-Bahn und im Gängeviertel.
Gegen 21.30 Uhr sei die Polizei gerufen worden, sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. "Wegen Ruhestörung."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid