Lauschen nach US-Vorbild: Schäuble will Abhörzentrale
Bisher lauschten BKA, BND und Verfassungsschutz unabhängig von einander. Innenminister Schäuble will jetzt eine Abhörzentrale nach US-Vorbild schaffen.
BERLIN taz Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will für Polizei und Geheimdienste einen zentralen Abhördienst schaffen. "Vorbilder einer solchen Behörde", zitiert der Spiegel aus einem internen Papier des Ministeriums, "könnten die amerikanische NSA oder das britische GCHQ sein". Beides sind jedoch eigenständige Geheimdienste.
Das deutsche Pendant soll beim Bundesverwaltungsamt in Köln installiert werden und die Überwachungslandschaft "harmonisieren". Von der SPD wird dieser jüngste sicherheitspolitische Vorstoß aus dem Hause Schäubles begrüßt. Die Opposition hingegen befürchtet, das Trennungsgebot von Polizei- und Geheimdienstarbeit könnte ausgehebelt werden, ein aus den Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Sicherheitsapparat entstandenes Prinzip.
Mit der Vorlage konkretisieren sich die Pläne der Bundesregierung, Abhörtechniken künftig unter einem Dach zu verwalten. Bisher horchen und stöbern das Bundeskriminalamt, der Verfassungsschutz, die Bundespolizei und der Bundesnachrichtendienst unabhängig voneinander, dazu kommen entsprechende Einrichtungen der Bundesländer. Seit Herbst 2007 ist bekannt, dass die Bundesregierung dies ändern will - vermutlich aus Kosten- und Effizienzgründen. Das Vorhaben war damals von Schäubles Staatssekretär August Hanning im Innenausschuss des Bundestages erläutert worden. Die taz hatte im Dezember berichtet, die neue Behörde solle als "reiner IT-Dienstleister" fungieren.
Doch die Pläne gehen offenbar wesentlich weiter und umfassen nicht allein die Technik: Neben einem "Service-Center", einer zentralen Abhöranlage, die bereits aufgebaut werde, plane Schäuble auch ein "Competence-Center", bestätigte ein Ministeriumssprecher der taz. Darin sollten Experten von Polizei und Verfassungsschutz ihr Wissen kombinieren. Wer genau beteiligt werde, versuche man derzeit in Gesprächen mit Ressorts und Ländern zu klären.
Der Spiegel hatte zudem berichtet, Staatssekretär Hanning wolle auch die Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendiensts in die neue Abhörbehörde integrieren. Er wolle die Anlage, um mit dem Wandel der Kommunikationstechnik Schritt zu halten. Ansonsten würden nachrichtendienstliche Erkenntnisse "zukünftig dramatisch schrumpfen", zitiert das Magazin. Die Kombination von Technik- und Kompetenzzentrum eigneten sich als "Nukleus einer neuen Behörde".
Genau das beunruhigt die Opposition. Sie fürchtet, dass sich in der neuen Behörde künftig Polizei- und Spionagedienstarbeit nicht mehr so klar trennen ließen, wie es Geheimdienstgesetze vorsehen. "Es besteht die große Gefahr, dass da Sachen vermischt werden", kritisierte der grüne Innenpolitiker Hans-Christian Ströbele. Sein FDP-Kollege Max Stadler sagte, er sei "außerordentlich skeptisch". Das Trennungsprinzip müsse "unverrückbar gelten". Dies habe Hanning zwar im Herbst vor dem Innenausschuss ausdrücklich zugesagt. "Aber wir müssen sorgfältig darauf achten, dass das auch eingehalten wird." Auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) erklärte: "Dieses Projekt birgt in sich erhebliche verfassungsrechtliche Risiken."
Bis wann die Pläne umgesetzt werden sollen, konnte Schäubles Sprecher nicht sagen. Unklar ist zudem, ob das Vorhaben gesetzlich geregelt werden muss und damit auch einer Zustimmung des Parlaments benötigt. Im Dezember sprach die Bundesregierung noch von einer "internen Organisationsmaßnahme", die nicht im Bundestag behandelt werden müsse. Grünen-Mann Ströbele sieht das angesichts der neuen Details anders: "Bei einer Bündelung würden ja auch unterschiedliche gesetzliche Grundlagen in einem Hause Anwendung finden." Darüber und über eventuelle Rechtsänderungen müsse ausführlich diskutiert werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale