: Lassen Sie Ihr Kind mitreisen!
■ Wunderland „Haltestelle Irgendwo“ von Susanne von Lohuizen / Premiere beim Moks-Kindertheater
Alice folgte dem Kaninchen in ein Loch in der Erde, und ihr unterirdisches Wunderland war mit grinsenden Katzen, lebendigen Spielkarten und sprechenden Kaffeekannen bevölkert. In „Haltestelle Irgendwo“ von Susanne von Lohuizen beschließt die kleine Jessica, einen Tag lang nur zu tun, was ihr gefällt — aber als sie auf der Suche nach ihrem Hund in eine Höhle gerät, findet auch sie sich in einem Wunderland wieder. Dort muß sie sich allerdings mit Erwachsenen herumplagen, die jedes Kind im Publikum sofort wiedererkennt: sie nehme sich selber furchtbar wichtig, sind so festgelegt in ihren Gewohnheiten, daß sie lächerlich wirken; sie hören den anderen nicht zu — und einem Kind schon gar nicht.
Die Parallelen zu Lewis Carrolls „großer Pioniertat der Nonsens-Phantastik“ (so Dieter E. Zimmer) sind nicht zu übersehen: Lohuizen hat die gleiche Formel, allerdings mit zeitgemäßen Personen und Konflikten bestückt. Die drei Erwachsenen sind Witzfiguren, über die sich die Kinder endlich einmal ungestraft amüsieren können: Herr Hitzkopf ist ein ewig beschäftigter Aktentascheträger mit komischen Ticks, Herr Lampe kommt als finsterer Detektiv à la Nick Knatterton daher und hat tatsächlich ein Funkgerät im Schuh, Frau Dame ist eine ebensolche in der schlimmsten Ausführung. Das Kind behält in allem recht, und „die Erwachsenen verhalten sich irgendwie falsch: sie meinen immer, sie haben die besten Ideen, aber dabei stimmt das manchmal gar nicht“, so der 10jährige Jönne im Programmheft, das mit ähnlichen Kommentaren von Kindern vollgestopft ist.
Um zum Moks Theater zu gelangen, müssen die Zuschauer in den Brauhauskeller hinter dem Schauspielhaus hinabsteigen, dort sieht es eher nach Baustelle als nach Theater aus, und man weiß zuerst gar nicht, hinter welchem Vorhang plötzlich die Bühne oder die Schauspielergarderobe zu sehen ist, und um welche Ecke herum man schließlich zu den Sitzplätzen gerät. Als Bühne dient ein mit Stoffen behangener Teil des Gewölbes, der mit Gaze auch von den Zuschauern abgeteilt ist, sodaß die Personen des Stückes tatsächlich, wie im Text behauptet, von den vier Wänden gefangengehalten werden.
Susanne Andres springt in Streifenhosen und Turnschuhen auf der Bühne herum. Sie findet ohne jedes Kindtümeln den richtigen Tonfall und vor allen Dingen die richtige Körpersprache, um als Jessica glaubwürdig zu werden. Ulrich Pannike als „Hitzkopf“, Anselm Haese als „Lampe“ und besonders Senta Bonneval als „Frau Dame“ können als doofe Erwachsene gar nicht albern genug sein. In Erinnerung bleibt besonders Pannikes komisches Zucken in Krisensituationen, Hases grimmige Spurensuche nach „Terroristen“ und Bonnevals empörter Ruf nach dem Geschäftsführer.
Die Autorin wollte ein Stück schreiben, das sie selber „als Kind gerne gesehen hätte“. Das Ensemble des Moks Theaters muß die gleiche Motivation gehabt haben, denn über der gesammtem Vorstellung liegt eine zärtlich poetische Grundstimmung, die durch ein harmonisches Zusammenspiel von Bühnenbild, Beleuchtung, Musik und Schauspieler erzeugt wird. Wie Alice kommt auch Jessica heil aus ihrem Wunderland zurück. Sie können ihr Kind beruhigt mitreisen lassen. Wilfried Hippen
Jeweils Samstags 18.00 Uhr / Schulvorstellungen wochentags nach Voranmeldung
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