Laserpointer gegen Polizeihubschrauber: Reporter helfen der Polizei
Im G20-Verfahren gegen Nico B., der einen Hubschrauber per Laserpointer traktiert haben soll, assistieren zwei ReporterInnen der Staatsanwaltschaft.
Im Verfahren gegen Nico B., der von der Staatsanwaltschaft beschuldigt wird, am Abend der „Welcome to Hell“-Demo einen Polizeihubschrauber mit einem Laserpointer attackiert zu haben, spielen zwei Polizei-ReporterInnen eine noch aktivere Rolle – zugunsten der Anklage.
Vor dem Altonaer Amtsgericht äußert sich der Angeklagte Nico B. bislang nicht, und auch seine Lebensgefährtin Annika S.*, die als Zeugin, aber auch als Täterin in Frage kommt, schweigt bislang gegenüber den Ermittlungsbehörden. Da sie mit dem Angeklagten eine gemeinsame Tochter hat und sich zudem selber belasten könnte, besitzt sie ein umfangreiches Aussageverweigerungsrecht.
Kurz nach Laserpointer-Angriff auf den Polizeihubschrauber „Libelle2“ von einem Dachgauben-Fenster aus hatte die Hamburger Morgenpost ein Interview mit der Frau veröffentlicht, in dem sie den Vater der gemeinsamen Tochter zwar in Schutz nimmt, seine Täterschaft aber behauptet.
Mit den Worten: „Ihm war nicht bewusst, dass er jemandem schaden könnte“, wird Annika S. zitiert. Die gemeinsame vierjährige Tochter habe durch den Helikopter-Lärm nicht einschlafen können. „Nico war hilflos. Er wollte, dass der Hubschrauber etwas weiter wegfliegt. Als die Lichter ausgingen, war ihm klar, dass er ihn getroffen hatte und hat sofort damit aufgehört. Es tut ihm furchtbar leid“, wird die Frau in der Mopo weiter zitiert.
Zitat war nicht autorisiert
Vor Gericht räumte Fotoreporter Rüdiger G. vorige Woche ein, dass dieses Zitat vor der Veröffentlichung nicht – wie vorher zugesagt – mit Annika S. abgesprochen und von dieser autorisiert worden war. Man habe sie telefonisch nicht mehr erreicht, um das abzustimmen.
Nach Darstellung der Verteidigung von Nico B. soll das Reporterteam die Lebensgefährtin zu einer Aussage gedrängt haben. Es soll ihre Wohnung regelrecht belagert haben und dabei so massiv aufgetreten sein, dass sich die Frau genötigt sah, sich in ihrer Wohnung zu verstecken und die Klingel abzustellen.
Die beiden Reporter hätten sie jedoch auf dem Weg zum Kindergarten abgefangen. Mit diesem Verhalten, „das presserechtlich nicht gedeckt“ sei, wie Rechtsanwalt Bernd Wagner sagte, habe sich das Reporterteam möglicherweise sogar der „Nachstellung“ strafbar gemacht.
Rüdiger G. stellt die Situation ganz anders da. Er und seine Kollegin hätten bei Annika S. geklingelt, diese habe sofort geöffnet, aber zunächst keine Zeit für das Gespräch gehabt. So habe man sich für den Nachmittag verabredet, an dem die Frau schließlich bereitwillig Auskunft gegeben habe.
Mopo nahm den Vorwurf nicht zurück
In der Netzversion des auf diesem Gespräch fußenden Artikels, die auch heute noch online ist, lautet die Schlagzeile: „Mord-Versuch mit Laser! Er attackierte nachts G20-Hubschrauber“. Darunter befindet sich ein dem Facebook-Account des Angeklagten entnommenes Bild, das „so grob verpixelt ist, dass alle seine Freunde und Verwandten den Angeklagten mit Sicherheit erkannt haben“, sagt Wagner.
Der Anwalt kritisierte vor Gericht, dass die Morgenpost nie darüber berichtet habe, dass der von ihr in die Öffentlichkeit getragene Mordversuchs-Vorwurf schon bald vom Tisch war. „Andere Medien haben das klargestellt, nur die Mopo hat keine Wiedergutmachung geleistet“, moniert der Anwalt.
Ungewöhnlich: Die beiden ReporterInnen haben sich von sich aus bei der Staatsanwaltschaft als Zeugen angedient. „Wir haben uns entschlossen, diesen Schritt aktiv zu tun, bevor die Ermittlungsbehörden auf uns zutreten“, sagt Rüdiger G. – eine für Journalisten außerordentlich enge Zusammenarbeit mit der Anklagebehörde.
Am Mittwoch, den 25.4., wird sich die Autorin des Mordvorwurfs-Artikels, die Reporterin Anastasia I. vor Gericht erstmals äußern. *Name geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn