Lars Penning Filme aus dem Archiv –frisch gesichtet:
Anna May Wong war der einzige Glamour-Star chinesischer Herkunft im klassischen Hollywood-Studiosystem, eine faszinierende Schauspielerin und selbstbewusste Frau. Der Film, der sie zum Star machte, ist jedoch nur noch selten zu sehen: „The Toll Of the Sea“ entstand 1922 als zweiter Film in 2-Farb-Technicolor, das im Wesentlichen Orange, Braun und Grüntöne wiedergeben kann und in jenen Tagen recht spektakulär gewirkt haben muss. Dass das Arsenal Kino jetzt eine restaurierte 35-mm-Kopie aus dem UCLA Film & Television Archive zeigen kann, ist sicher ein Höhepunkt der noch bis Ende Juni laufenden Anna-May-Wong-Retrospektive. Inhaltlich erscheint der Film allerdings gewöhnungsbedürftig: eine kolonialistisch geprägte Madame-Butterfly-Variante, in der auf die junge Chinesin Lotus Flower (Wong) letztlich kein Happyend mit einem amerikanischen Marineoffizier wartet, sondern nur der Freitod im Meer. Vor dem Hintergrund rassistischer Antimischehegesetze in den USA prägten diese Art Geschichten die Karriere Wongs in den folgenden Jahren (19. 6., 20 Uhr, Arsenal 1).
Nicht unbedingt Alfred Hitchcocks bester Film, aber ein Werk, das sein Interesse an experimentellen Filmtechniken belegt: In „The Rope“ (1948) erzählt der Regisseur die Geschichte zweier Studenten, die einen vermeintlich perfekten Mord begangen haben, indem er die zehnminütigen Filmrollen jeweils ohne Unterbrechung durchlaufen ließ. Ein direkt vor der Kamera stehender Schauspieler dient dabei zum Ende und Anfang jeder Rolle als eine Art Schwarzblende. So entstand ein Film quasi ohne Schnitt, und die Einheit von Ort und Zeit der Handlung bleibt gewahrt (17. 6., 19.15 Uhr, 20. 6., 22.30. Uhr, Babylon Mitte).
Für das Kinopublikum der 1950er Jahre war der Einblick in die Tiefen der Ozeane noch vergleichsweise beeindruckend – zumal, wenn dabei die neuen Unterwasser-Farbkameras zum Einsatz kamen. Dass es im Meer so farbenfroh zugeht, war vielleicht die eigentliche Überraschung des Films „Le monde du silence“, den der Forscher Jacques-Yves Cousteau gemeinsam mit Louis Malle in den Jahren 1954/55 gedreht hatte, und der als erste Dokumentation 1956 die Goldene Palme beim Filmfestival von Cannes gewann. Doch der Film zeigt nicht nur hübsche Bilder schillernder Korallen und spektakuläre Bilder von Delfinen und Meeresschildkröten, sondern betont von Beginn an einen wissenschaftlichen Anspruch – auch wenn viele der gezeigten Methoden heute absurd erscheinen. Der Film eröffnet im Zeughauskino die Filmreihe „Europa und das Meer“ (16. 6., 18.30 Uhr, Zeughauskino).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen