Langjähriger libyscher Machthaber: Gaddafi kündigt Widerstand an
Muammar al-Gaddafi will sich den Aufständischen nicht ergeben. Derweil hebt die EU ihre Sanktionen gegen Libyen teilweise auf. Und Rüstungsgegner wollen gegen Heckler & Koch klagen.
BRÜSSEL/PARIS dpa/dapd/afp | Der langjährige libysche Machthaber Muammar al Gaddafi hat erbitterten Widerstand gegen die Aufständischen angekündigt. Ihm ergebene Stämme seien bewaffnet und würden sich nicht ergeben, zitierte der syrische Fernsehsender al Rai TV Gaddafi am Donnerstag. "Wir werden nicht aufgeben. Wir sind keine Frauen, wir werden weiter kämpfen", habe Gaddafi gesagt, hieß es in dem Bericht.
Zuvor hatten die libyschen Rebellen das Ultimatum an die Gaddafi-treuen Truppen in Sirte um eine Woche verlängert. Ursprünglich hatten die Aufständischen den Anhängern des einstigen Machthabers eine Frist bis Samstag eingeräumt, um zu kapitulieren.
Unterdessen hat der designierte Preisträger des Aachener Friedenspreises, Rüstungsgegner Jürgen Grässlin, hat schwere Vorwürfe gegen das Rüstungsunternehmen Heckler & Koch erhoben. Der Bautyp der in Libyen aufgetauchten G36-Sturmgewehre aus Deutschland spreche dafür, dass die Waffen von dem Unternehmen am Neckar kommen, sagte Grässlin am Donnerstag in Aachen.
Illegale Waffengeschäfte von Heckler & Koch?
Nach seinen Angaben stammen die Gewehre aus dem Jahr 2003. Zusammen mit den Gewehren seien in Libyen Munitionskisten mit der Aufschrift Nato gefunden worden. "Ich schließe nicht aus, dass Heckler & Koch in illegale Waffengeschäfte verwickelt ist", erklärte Grässlin. Am Abend sollte der Rüstungsgegner den Aachener Friedenspreis erhalten.
Das Produktionsjahr der Gewehre lasse sich von Kürzeln auf den Waffen ablesen. Die eigentlichen Gewehrnummern seien aus den Waffen herausgefräst und durch fiktive Nummern ersetzt worden. Entweder seien die Waffen von Heckler & Koch oder über einen Nato-Partner exportiert worden. In dem "Kriegswaffenkontrollbuch" des Unternehmens müsse jede produzierte und exportierte Waffe aufgezeichnet werden. Daraus könne man ablesen, an welche Staaten in dem Jahr G36-Waffen geliefert worden seien.
Heckler & Koch hatte am Mittwoch mitgeteilt, es habe "zu keinem Zeitpunkt" Lieferungen des Gewehrs G36 oder anderer Produkte nach Libyen gegeben. "In Libyen aufgetauchte Waffen sind unrechtmäßig über einen Heckler & Koch nicht bekannten Weg beschafft worden."
Der Sprecher der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel" kündigte für Donnerstag Strafanzeige gegen Heckler & Koch an. Gegen das Rüstungsunternehmen liefen bereits Verfahren wegen Verdachts illegaler Waffenexporte nach Georgien - ebenfalls G36-Gewehre - und nach Mexiko, sagte Grässlin. "Die Firma verspielt ihren Ruf so weit, dass man ihr nach meinem Empfinden das Recht zu Kriegswaffenexporten entziehen muss", sagte Grässlin.
Russland erkennt Übergangsrat an
Die EU hat am Donnerstag ihre Sanktionen gegen Libyen teilweise aufgehoben. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte in Brüssel, die Strafmaßnahmen gegen 28 "wirtschaftliche Einheiten" bestünden nicht länger. Ziel sei es, dem Nationalen Übergangsrat der Rebellen und dem libyschen Volk Ressourcen für den Wiederaufbau der Wirtschaft des Landes zukommen zu lassen.
Die libyschen Rebellen haben am Donnerstag wenige Stunden vor Beginn einer internationalen Libyen-Konferenz einen wichtigen diplomatischen Erfolg erzielt: Russland gab bekannt, dass es den Nationalen Übergangsrat anerkennt. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Moskau und Tripolis würden fortgesetzt.
Die Anerkennung aus Russland ist von besonderer Bedeutung, weil Moskau die Nato-Angriffe auf Libyen immer kritisiert hatte. Die Konferenz in Paris ist auch die erste, auf der der Übergangsrat als Vertretung Libyens auftritt. Auch China, das sich bislang gegenüber den westlichen Wiederaufbauplänen für das nordafrikanische Land eher zurückhaltend äußerte, kündigte an, Vize-Außenminister Ma Jun nach Paris zu schicken.
Die Konferenz wird sich weniger mit Hilfszusagen für Libyen als vielmehr mit der Frage befassen, wie das Geld der früheren Regierung, das im Ausland eingefroren wurde, freigegeben werden kann. In Paris wird vermutet, dass das Regime von Muammar al Gaddafi mindesten 50 Milliarden Dollar in aller Welt angelegt hatte, britische Schätzungen gehen sogar von 110 Milliarden Dollar aus.
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