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Landwirtschaftsministerin entscheidetAnbau von Genmais verboten

Aus für den Anbau von Genmais: Die Bundesregierung hat das Aussäen der Monsanto-Körner untersagt. Die Gentechpolitik der EU-Kommission ist gescheitert.

Erfolg für Umweltschützer: Der Anbau von genmanipuliertem Mais ist illegal. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Anbau von Genmais ist in Deutschland dieses Jahr verboten. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) gab Dienstag bekannt, dass der vom US-Biotechkonzern Monsanto vertriebene Genmais MON 810 nicht mehr auf den Feldern ausgesät werden darf. Das Aigner-Verbot kam in letzter Minute, denn in den nächsten Tagen müssen die Maiskörner in die Erde gebracht werden.

Der verbotene Genmais

Die gestern in Deutschland verbotene Maissorte MON 810 des US-Saatgutherstellers Monsanto ist ein BT-Mais. Das heißt, ihm wurden Gensequenzen des Bakteriums „Bacillus thuringiensis“ eingeschleust, die die Pflanze dazu bringen, ein für die Raupe eines Schmetterlings, des Maiszünslers, tödliches Gift zu produzieren. Der Maiszünsler befällt die Stängel der Maispflanze und lässt sie einknicken. Das bewirkt hohe Ernteausfälle.

Wie das Gift auf andere Insekten wirkt, ist heftig umstritten und noch nicht geklärt. 2008 war MON 810 in Deutschland auf etwa 4.000 Hektar angebaut worden, 2009 waren 3.700 Hektar beantragt worden. Im internationalen Vergleich sind das allerdings kleine Anbauflächen. Hauptanbaugebiete gentechnisch veränderter Pflanzen sind weltweit Argentinien, die USA und Brasilien. (taz)

Sie habe berechtigten Grund zu der Annahme, dass der genveränderte Mais der Sorte MON 810 "eine Gefahr für die Umwelt darstellt", sagte Aigner. Es gäbe Risiken für bestimmte Schmetterlinge, Marienkäfer und Wasserorganismen.

Der Monsanto-Mais MON 810, der durch ein bakterielles Giftgen gegen Fraßschäden durch den Maiszünsler geschützt wird, ist derzeit die einzige genmanipulierte Pflanze, die in der EU kommerziell angebaut wird. Es gibt zwar noch eine weitere EU-Anbaugehmigung, für eine Nelke mit veränderter Blütenfarbe – diese wird derzeit aber nicht genutzt.

Die EU-Genehmigung für den Anbau von MON 810 ist mittlerweile schon über zehn Jahre alt. Seitdem wird auch darum gestritten. Österreich zum Beispiel hat sie nie umgesetzt. Dort durfte MON 810 bisher überhaupt noch nicht angebaut werden. Auch Ungarn, Griechenland und Frankreich verboten zum Teil schon schon vor Jahren den Anbau der Gentech-Pflanzen.

Vor kurzem erst scheiterte die EU-Kommission wieder einmal mit dem Versuch diese Verbote zu kippen. Die EU-Kommission bekam im Ministerrat nicht die erforderliche Mehrheit, um gegen die Verbote vorgehen zu können. Kurz darauf untersagte dann auch noch Luxemburg den MON 810-Anbau. Für die EU-Kommission war das eine erneute Niederlage. Nachdem jetzt auch noch Deutschland den MON 810-Anbau verbietet, steht die EU-Kommission im Grunde endgültig vor dem Scheiterhaufen ihrer Gentech-Politik.

Eigentlich dürfen die EU-Mitgliedsstaaten nicht ausscheren, wenn Brüssel den Anbau einer Gentech-Pflanze genehmigt. Die Genehmigung gilt eu-weit. Nur wenn neue Erkenntnisse über Risiken für Mensch oder Umwelt vorliegen, dürfen die Mitgliedsstaaten vorübergehend die Genehmigung aussetzen. Die EU-Kommission überprüft dann, ob von den Gentech-Pflanzen tatsächlich eine Gefahr ausgeht. Wird das von der EU-Kommission verneint, dann muss der betreffende Mitgliedsstaat sein Verbot wieder aufheben.

Die Bundeslandwirtschaftsministerin betonte, dass das Anbauverbot für MON 810 keine Grundsatzentscheidung zum Umgang mit der Gentechnik im Agrarbereich sei. Es sei vielmehr eine Einzelentscheidung. Grundlage für ihr Verbot waren mehrere Gutachten, die von Luxemburg vorgelegt wurden, teilte Aigner mit. Es gebe „berechtigten Grund zu der Annahme, dass der genetisch veränderte Mais der Linie MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt", sagte die Ministerin. Sie muss jetzt befürchten, dass Monsanto gegen das Verbot klagen wird. Und sollten die Gründe für das Verbot nicht stichhaltig sein, wird Monsanto sicherlich auch Schadensersatz einfordern.

Für die Umweltverbände ist das deutsche MON 810-Verbot schon lange überfällig. "Gut gemacht, Frau Aigner!“, sagte Stephanie Töwe von Greenpeace. „Die Gefahren von Gen-Mais lassen sich auch mit Überwachungsplänen, die die Auswirkungen von gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Umwelt dokumentieren sollen, nicht aus der Welt schaffen.“

Auch die Naturschutzorganisation NABU begrüßt den Kurswechsel im Landwirtschaftsministerium. Es sei zu hoffen, dass die Entscheidung nicht nur aus wahlkampftaktischen Gründen gefallen sei, weil CDU und CSU derzeit in der Klemme sitzen. "Der NABU fordert ein langfristiges Anbauverbot, denn sonst könnte es im nächsten Jahr unter einer anderen Bundesregierung wieder ganz anders aussehen", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Sollte das von Aigner verkündete Anbau-Verbot auch die nächsten Monate noch bestehen bleiben, werden die Felder in diesem Jahr in Deutschland weitgehend gentechfrei bleiben. Erlaubt sind dann nur räumlich begrenzte Freilandexperimente mit Gentech-Pflanzen. Der bayerische Umweltminister Markus Sölder will jetzt den Freisstaat Bayern sogar als „gentechnikanbaufreie Zone“ ausrufen.

„Das wird von der Bevölkerung und den Landwirten mit Freude und Erleichterung aufgenommen.“ Auch für die CSU ist das ein Kehrtwende um 180 Grad. Vor wenigen Jahren noch gehörte die bayerische Landesregierung und die CSU zu den bedingungslosen Unterstützern der Grünen Gentechnik.

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13 Kommentare

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  • A
    Andreas

    So könnte Basisdemokratie immer aussehen!

    Ich bin den Aktivisten die an vorderster Front gekämpft haben dankbar!

  • V
    v.b.

    Für ein Jahr Ruhe an der Front, mehr wird nicht raus kommen am Schluss.

     

    Wie bei bt-Baumwolle auch, werden Schadinsekten immun gegen das von der Pflanze produzierte Gift. Dann muss der Landwirt neben dem teuren Saatgut auch noch teure Agrogifte kaufen. Von wem dürfte klar sein.

     

    Dabei weiß man wie gegen den Maisschädling agieren werden kann, man braucht die Felder nur nicht umpflügen.

     

    In den letzten Jahren wurden Wissenschaftler, die einen Nachweis für die Schädlichkeit am Menschen festgestellt hatten, aus dem Verkehr gezogen. Studien über die Gefährlichkeit von GVO von Monsanto selbst bleiben in großen Teilen geheim, beklagt Frankreich.

     

    siehe Pustai, einfach bei Google Pustai+Ratten+GVO eingeben.

     

    Empfehlenswert der Dokumentationsfilm "Leben außer Kontrolle.

  • T
    trixie

    ich freu mich ja so!

    was macht monsanto denn eigentlich grad in mexiko so? völlig aus den augen verloren...

  • DG
    Dirk Glaser

    Für Maise:

    unter www.gentechnikfreie-regionen.de findet sich die aktuelle BUND-Studie "Die Heilsversprechen der Gentechnikindustrie - ein Realität-Check" als download und gleich darunter das BfN-Positionspapier des Bundesamtes für Naturschutz. "Welternährung, Biodiversität und Gentechnik - Kann die Agro-Gentechnik zur naturverträglichen und nachhaltigen Sicherung der Welternährung beitragen?"

    Beide Studien sind topaktuell und lassen keinen sinvollen Spielraum für die grüne Gentechnik.

    Aber wie immer: Die Verbraucher entscheiden mit jedem Euro. Wir Bauern sind auf ihre Unterstützung in puncto NON-GVO angewiesen!

  • R
    Ralf

    Landwirtschaftsministerin Aigner hat lieber dem Bundesamt für Naturschutz Glauben geschenkt, das zum Geschäftsbereich des Umweltministers gehört, als der Behörde, die ihr selbst untersteht und für die Zulassung des Genmais zuständig ist: dem Bundesamt für Verbraucherschutz (BVL). Für das BVL ist das eine echte Blamage und das Amt hat sich erneut ins Abseits manövriert. Ihm gebührt das gleiche Schicksal, wie seinen Vorgängerbehörden BgVV und Bundesgesundheitsamt - abgeschafft und zugemacht. Kaum einer wird das BVL vermissen, denn das Amt lässt sich beständig vor den Karren der Industrie spannen, statt Verbraucherinteressen zu schützen.

  • W
    wespe

    @Maise ... u.a.

    Vielleicht hilft als Zusatzinfo zu diesem und ähnlichen Problemen folgende Website:

    https://www.campact.de/campact/home

    Oder wie wär's mit:

    http://www.campact.de/campact/info/logbook#fkolb@1239090214

     

    Ansonsten möchte ich anmerken:

    1) Eine erfreuliche Nachricht!

    2) Wie @Ullrich F.J. Mies anmerkt: Augen und Ohren offenhalten. -- Wofür habt ihr denn alle Internet?

  • G
    Gen-Mensch

    Würden die Gegener gentechnisch veränderter Lebensmittel endlich aufhören den in diesem Fall unsinnigen Begriff Gen-Gemüse zu verwenden, würden sie sich um einiges glaubwürdiger machen. In Pflanzen sind nunmal Gene...das war schon immer so. Nur so ne Anmerkung.

  • LF
    Laura Fahrrad

    Bedenklich auch das aggressive, im Kern m.E. demokratiefeindliche Vorgehen einiger Gen- Konzerne, die damit auch noch Erfolg haben: Monsanto hat in den USA bereits tausende von Bauern verklagt, die nun teure Gebühren zahlen müssen, da sie angeblich Genprodukte des Konzerns nutzen. Darunter auch Bauern, die Gengegner sind und deren Felder verunreinigt wurden. Die Anwälte kommen auf das Grundstück und drohen damit, die Ernte zu vernichten. Da die Justizabteilung Monsantos mittlerweile fast größer scheint als die Forschungsabteilung, Rechtsanwälte jede noch so kleine Gesetzeslücke nutzen, hat der Konzern fast alle Prozesse gewonnen. Obwohl das Vorgehen in mehreren Dokumentationen gut belegt ist und sich schon Widerstandsgruppen und -foren dagegen gegründet haben, liest man hier in Deutschland kaum etwas über die Vorfälle- sie wären ein Beleg, wie auch mit marktwirtschaftlichen Methoden Freiheitsrechte, sogar die demokratische Grundordnung gefährdet werden können. Ich empfehle Interessenten die Doku "Monsanto- mit Gift und Genen", die auf DVD erhältlich ist, ebenso die WDR- Doku "Arme Sau: das Geschäft mit dem Erbgut" von Christian Jentzsch

  • N
    Nigredo

    @Maise: Bei dieser Entscheidung geht es weniger um Naturschutz, vielleicht ist dieser Käfer gar ein großes Übel - doch Monsanto die Herrschaft über die Lebensmittelmärkte zu überlassen ist das ungleich größere Übel. Was passiert, wenn Monsanto erstmal einen Markt beherrscht (und auf nichts Anderes sind die Geschäftsbedingungen Monsantos ausgelegt), siehst du, wenn du einfach mal "Selbstmordgürtel" in eine Suchmaschine eingibst.

    Die arte-Doku "Monsanto - Mit Giften und Genen" ist auch jedem ans Herz zu legen, der wissen will, mit wem wir's da zu tun haben.

  • W
    Wolfgang

    Freut mich, dass es doch noch verboten wurde.

    Das Argument mit dem Wahljahr passt.

     

    Ich hoffe nur, dass es nicht wie bei der Überwachung seit 9/11 läuft. Da wurde auch erstmal mit dem vollen Batzen gedroht und als Protest aufkam, hat man nachgegeben. Kurz danach wurden Häppchen Stasi hier und Häppchen Überwachungsstaat dort, etwas Demonstrationseinschränkung und stärkere Polizeigewalt dazu installiert und so geht es weiter.

    In ein paar Jahren ist das, was wir vor zwei Jahren als Unglaubliches abgelehnt haben, in vollem Packet da.

     

    So wird es auch bei Monsanto laufen. Da wird jetzt verboten und wenn die Gen-Lobbyisten der EU stärker sind (und die Wahlen vorbei sind), dann wird Deutschland gezwungen, EU-Interessen durchzusetzen. Hoffen wir mal das Beste und geben auch alle unsere Meinung kund!

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Erfreulich.

    Dennoch - nie zu früh freuen!!

    Skeptisch bleiben.

     

    Die Genmafia wird weiter wühlen.

    Erfolge sind nie von Dauer.

    Nie zurücklehnen.

    Immer "dran" bleiben!!!

  • M
    Maise

    Wie gefährlich ist eigentlich dieser berüchtigte Maiszünsler?

    Leider ist es mir bisher nicht gelungen, fundierte Informationen aus zuverlässigen Quellen über den Schädling heraus zu finden.

    Vielleicht wissen die Redaktion und die tz-Leser mehr.

  • SU
    Systemkritiker und grünlinks

    Ich bin überrascht! Ehrlich! Ist ja eher wie Weihnachten!

     

    Da wird eine Entscheidung gegen wirtschaftliche Interessen eines asozialen Konzerns gefällt. Die Woche fängt gut an!

     

    Ist denn schon wieder Wahljahr???

     

    Würde an anderen Stellen (Abwrackprämie, Afghanistaneinsatz, Bankenrettung, Piratenbekämpfung in Somalia etc.) nicht übermäßiger Bockmist verzapft, könnte ich glatt mein Vertrauen in unsere Politkaste wiedergewinnen. Leider, leider, leider hilft auch dieser Tropfen guten Willens nicht mehr wirklich. Ich für meinen Teil kann keinen "da oben" mehr ernst nehmen! So sehr ich die Entscheidung auch begrüße!

     

    BTW: Wenn es denn "guter Willen" war, der zu dieser Entscheidung geführt hat. Wahrscheinlich kommt der Hammer nach der Wahl durch die Hintertür... Mais ist ja nun nicht alles, womit Monsanto Druck ausüben kann.