: Landwirte werden verclustert
Mit einer Bestandsgarantie für die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät der Humboldt-Uni hätte der Koalitionsvertrag ein Zeichen für den Wissenschaftsstandort setzen können. Hat er aber nicht
von NINA APIN
Trecker mit riesigen Anhängern, die quälend langsam die Linden langkriechen – manche Autofahrer und Passanten erinnern sich noch an den öffentlichkeitswirksamen Protest, mit dem Studierende der Humboldt-Uni 2003 und 2004 gegen die Abwicklung der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät (LGF) protestierten. Bald könnten sie wieder rollen: Der mit 12 Professoren und 1.400 Studenten kleinen Fakultät in der Invalidenstraße droht erneut die Schließung.
Grund ist eine Empfehlung des Wissenschaftsrats, die vorsieht, die 10 agrar- und ernährungstechnischen Fakultäten in ganz Deutschland in 4 Clustern zu bündeln. Die Berliner Fakultät, argumentiert das Fachgremium, sei zu klein, um künftig eine Rolle zu spielen. Daher solle man die Lehre einstellen und das bestehende Lehrpersonal auf Biologie und Wirtschaftswissenschaft verteilen.
Seit Jahren kämpft die Fakultät, die neben Instituten für Gartenbau-, Pflanzenbau- und Nutztierwissenschaft auch eine entwicklungspolitische Forschungseinrichtung enthält, ums Überleben, obwohl sie Sparrunden und Umstrukturierungen mitmachte und als eine der ersten wissenschaftlichen Einrichtungen Berlins die Umstellung von Diplom- auf Bachelor- und Masterstudiengänge umsetzte. „Wir sind die Fakultät, die sich freiwillig bundesweit am stärksten umstrukturiert hat“, stellt Udo Kummerow vom Studien- und Praktikumsbüro der LGF fest. „Wir haben verschlankt, Forschung und Lehre mit anderen Einrichtungen beispielhaft vernetzt, das Studium international gestaltet. Von der Politik wird das überhaupt nicht wahrgenommen.“
Im Koalitionsvertrag findet sich denn auch kein Wort über die Zukunft der Fakultät, die nach der Wende durch Fusion von TU- und HU-Instituten entstand, obwohl die LGF mit ihrer Spezialisierung auf Nahrungsmittelsicherheit, Verbraucherschutz und Strukturwandel genau das „nachhaltige Hochschulprofil“ entwickelt, das der Vertrag als wissenschaftspolitisches Ziel formuliert. Der amtierende Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) befürwortet zwar den Erhalt der Fakultät, doch zu einer Bestandsgarantie hat es im Koalitionsvertrag nicht gereicht. Dort setzt man lieber auf ein interdisziplinäres „Zentrum für Lebenswissen“ und folgt damit der Clusterlogik des Wissenschaftsrats.
Mit einem klaren politischen Bekenntnis zur LGF hätte man eine wichtige Kompetenz der Berliner Wissenschaft erhalten können, sagt die wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen, Anja Schilhanek. „Auch wenn es kein Modethema ist: So wie an der LGF kann man Landwirtschaft nirgends studieren. Die Schließung der Fakultät wäre ein Verlust an wissenschaftlichem Profil für Berlin.“ „An der LGS lernen die ja nicht Trecker fahren und Kühe streicheln, sondern erforschen Zukunftsrelevantes.“ Die Bedeutung der Fakultät bewerten die Regierungsparteien anders: „Wir können nicht jedes Detail im Koalitionsvertrag festhalten“, erklärt Jutta Koch-Unterseher, Sprecherin für Wissenschaft der SPD.
Prodekan Wolfgang Bokelmann ärgert sich über den latenten Entbehrlichkeitsverdacht: „Wir haben regen Zulauf von Studierenden anderer Universitäten, und unsere Absolventen bekommen alle Jobs“, betont er. Vor einer Abwicklung hat er darum wenig Angst. „Dann werden wir eben ein Cluster.“