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Landesgesetz für AbtreibungenBremen will Versorgung sichern

Mit einem Gesetz soll es möglich sein, Ärz­t:in­nen finanziell zu unterstützen. Auch sogenannte „Gehsteigbelästigungen“ soll es verhindern.

Darum geht es bei Abtreibungen: um eine medizinische Versorgung Foto: Paul Zinken / dpa

Bremen taz | Als erstes Bundesland will Bremen ein eigenes Landesgesetz erlassen, das die Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen sicherstellen soll. Diese ist in Bremen seit etwa drei Jahren immer wieder akut gefährdet, in Bremerhaven noch länger. Der Grund: Im Land Bremen finden 85 Prozent aller Abtreibungen im medizinischen Zentrum von Pro Familia statt, einer Tagesklinik, die 1979 eröffnet worden ist. In anderen Großstädten gibt es auch niedergelassene Gynäkolog:innen, die die Leistung anbieten, allerdings gehen diese zunehmend ohne Nach­fol­ge­r:in­nen in Rente.

Mit Ärztemangel kämpft auch das medizinische Zentrum der Bremer Pro Familia. Deshalb musste es zuletzt in Urlaubs- und Krankheitsphasen immer wieder die Einrichtung ganz schließen oder die Öffnungszeiten einschränken. Nicht nur Bre­me­r:in­nen bekamen dann keine Termine für eine Abtreibung, denn die Hälfte der Schwangeren kommt aus Niedersachsen.

Den Ärztemangel kann das neue Gesetz, das noch vor der Wahl im Mai von der rot-grün-roten Kolition beschlossen werden soll, nicht beheben. Aber es soll dem Staat ermöglichen, Ärz­t:in­nen und Einrichtungen finanziell zu unterstützen. Es gebe Ärzt:innen, denen die Investitionskosten für OP-Räume oder die Miete eines Ruhezimmers beim medikamentösen Abbruch zu hoch seien, sagte am Donnerstag Maja Tegeler, frauenpolitische Sprecherin der Linken, die den Gesetzentwurf gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden Nelson Janßen vorstellte. Zudem seien die Zuzahlungen für Frauen, die den Abbruch nicht selbst bezahlen können, zu gering, um die Kosten decken zu können.

Ohne ein solches Landesgesetz ist dem Staat bisher die finanzielle Unterstützung nicht möglich. Denn Schwangerschaftsabbrüche gelten nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs als Tötungsdelikte, die nicht gefördert werden dürfen und auch keine Kassenleistung sind. Hat sich die schwangere Person beraten lassen und eine dreitägige Bedenkfrist eingehalten, so wird die Tat bis zur 12. Woche nach Empfängnis nicht strafrechtlich erfolgt.

Behörde hofft auf Rechtssicherheit

Die Bremer Gesundheitsbehörde verspricht sich vom Gesetz vor allem Rechtssicherheit, wie ein Sprecher der taz sagte. Dabei springt Bremen in eine Lücke, die das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil 1993 geschaffen hatte, als es eine „grundsätzliche Austragungspflicht“ für die Schwangere erkannte und den Gesetzgeber verpflichtete, ein Konzept für den Schutz des „ungeborenen Lebens“ vorzulegen.

Die Bundesländer sollten ein „ausreichendes“ Angebot der medizinisches Versorgung sicherstellen, urteilte das Gericht, ohne dies weiter zu definieren. Der einzige Anhaltspunkt, den es damals lieferte: Die Frau soll An- und Abreise innerhalb eines Tages mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen können.

Nun legt auch das Bremer Gesetz nicht fest, wie weit die Entfernungen zur nächsten Praxis sein dürfen, sondern sagt nur, das Angebot müsse „bedarfsgerecht“ sein. Zudem müssten alle Methoden angeboten werden. Derzeit können Frauen nur selten zwischen verschiedenen Methoden – operativ oder medikamentös – und Narkosen wählen.

Beim medizinischen Zentrum von Pro Familia ist dies der Fall. Deren Geschäftsführerin Lea Pawlik, die bei der Vorstellung des Entwurfs dabei war, sagte: „Mit diesem Gesetz können wir für die nächsten Jahre Abhilfe schaffen.“ Und: „Es ist eine deutliche Verbesserung für die Frauen.“

Proteste vor Praxen sollen verboten werden

Das betrifft auch den zweiten Teil des geplanten Gesetzes, der auf Wunsch der Grünen hineingeschrieben wurde. Dabei geht es um die sogenannten „Gehsteigbelästigungen“, wenn christliche Fun­da­men­ta­lis­t:in­nen vor Beratungsstellen oder Praxen gegen Schwangerschaftsabbrüche demonstrieren. „Bisher ist das kein großes Problem in Bremen“, sagte Nelson Janßen von der Fraktion der Linken, „aber wir wollen nicht in eine Situation hineinlaufen, sondern sie im Vorfeld verhindern“.

Auch in Baden-Württemberg und Hessen – wo Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen regelmäßig vor Praxen demonstrieren und „Mahnwachen“ halten – hatte es solche Verbotsversuche gegeben. Dort waren diese vor den Verwaltungsgerichtshöfen gescheitert, weil es nicht mit dem Versammlungsrecht zu vereinbaren sei.

Allerdings hatte es sich in beiden Ländern nur um Verwaltungsvorschriften, nicht um Gesetze gehandelt. In Bremen soll zukünftig vor Praxen und Beratungsstellen verboten sein, „in Sicht- oder Rufweite die Schwangere durch gezieltes Ansprechen oder sonstige Ausübung von Zwang oder Druck zu beeinflussen oder sie am Zugang zu hindern“.

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