Landeselternausschuss: Die Mehrheit schweigt
Ein Kommentar
Auf dem Schulhof heißt es: Wer am lautesten schreit, setzt sich durch. Diese Pausenhofregel gilt auch im Landeselternausschuss (LEA): Wer sich Gehör verschafft, bestimmt dessen Agenda. Das ist Ausdruck einer Gesellschaft, in der große Teile der Bevölkerung kaum Gehör finden.
Nun sind es zumeist Menschen mit höherer Bildung, die Debatten dominieren. Sie sind oft rhetorisch versierter und haben die besseren Verbindungen. Ein Blick ins Abgeordnetenhaus zeigt, dass der gelernte Drucker und SPD-Fraktionschef Michael Müller eine krasse Ausnahme ist. Lediglich 13 Prozent der Volksvertreter haben keinen akademischen Abschluss, obwohl in der Bevölkerung die Relation umkehrt ist.
So ist es auch im Landeselternausschuss: Absolventen des Gymnasiums sind überrepräsentiert. Da erscheint es nur folgerichtig, dass der LEA verstärkt für grundständige Gymnasien ab Klasse fünf eintritt und kaum für den Erhalt der sozialen Mischung an Grundschulen. Das ist im Sinne all jener Eltern, für die schon vor der Geburt ihrer Sprösslinge feststeht, dass diese aufs oft weit entfernte Gymnasium gehen sollen.
Die türkische Mutter aus Neukölln, deren Kind die Schule um die Ecke besucht, hat davon nichts. Migranten und Hauptschulvertreter sind im LEA zwar vertreten, sie melden sich aber wenig zu Wort. Teils liegt es daran, dass ihnen das rhetorische Rüstzeug fehlt; teils greift hier, was die Medienwissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann die Schweigespirale nannte: Eine Minderheit kann ihre Meinung zur vermeintlichen Mehrheitsmeinung machen, wenn sie sich nur laut genug artikuliert. Die Mehrheit, die sich öffentlich nicht mehr repräsentiert fühlt, wird zur schweigenden Mehrheit.
Der LEA vertritt eine lautstarke Minderheit. Seinem gesetzlichen Auftrag wird er damit nicht gerecht.
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