piwik no script img

Archiv-Artikel

KOMMENTAR VON GEORG BLUME Land ohne Lächeln

Der Westen sieht Thailand allzu gern als letzte, postkoloniale Oase

Ein durch einen Militärputsch an die Macht gekommenes Regime lässt in die Menge der Regierungsgegner schießen. Es gibt über 60 Verletzte aufseiten der Demonstranten und mindestens 6 Tote, darunter der italienische Fotojournalist Fabio Polenghi. Ein Rothemden-Führer wird während eines Interviews mit der New York Times von einem Scharfschützen der Polizei erschossen. Reicht das nicht, damit wir uns empören?

Doch Thailand ist unser „Land des Lächelns“. Wir erinnern uns an Strand, Palmen und tollen Service. „Wo immer man in Thailand auf Menschen trifft, sieht man sie lächeln“, weiß die Geo-Reisecommunity. Das meiste davon ist Lüge und Selbstbetrug. Dass Bangkok jetzt im Rauch von Brandanschlägen erstickt, darf uns so wenig wundern wie die thailändische Regierung. Wir haben die Augen vor den wahren Verhältnissen in Thailand zu lange verschlossen. Wir malten uns das Land als menschliche Monarchie schön.

Als aber 2001 erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein demokratischer Machtwechsel stattfand, missfiel uns der neue Regent: Thaksin Shinawatra war ein chinesischstämmiger Emporkömmling, ein wenig korrupt, populistisch, unsympathisch. Dass die alten königstreuen Eliten ihn 2006 mit einem Militärputsch beseitigen, störte nicht weiter.

Dafür sollten wir uns heute schämen. Dass man auch den lächelnden Thailändern nicht einfach eine Demokratie bescheren kann, nur um sie wieder abzuschaffen, wenn sie den Falschen wählen, hätte uns klar sein müssen. So aber konnten die Anhänger Thaksins seit März zwei Monate lang für Neuwahlen demonstrieren, ohne internationale Unterstützung zu bekommen. Als die Armee dann auf sie scharf schoss, kritisierte das die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Aber keine westliche Regierung. Nicht einmal die New York Times erklärte es mit großen Lettern zum Skandal, als ihr thailändischer Interviewpartner unter Gefährdung des eigenen Korrespondenten umgelegt wurde. Und sogar die BBC schien gestern geradezu froh, als in Bangkok wieder Ruhe einkehrte.

Warum erlauben wir den thailändischen Putschisten, was wir niemand anderem erlauben würden? Vielleicht sehen wir Thailand als unsere letzte, postkoloniale Oase in einem uns wirtschaftlich zunehmend überbietenden Asien. Rationale Erklärungen für so viel Ignoranz und Toleranz gibt es jedenfalls nicht.