■ Topographie des Terrors: Längst Realität
Es gehört zu den Spezifika deutscher Vergangenheitsbewältigung, unliebsame Geschichte mit dem Argument des Sachzwangs zu entsorgen. Das klingt sauber, logisch und objektiv. So verwundert es nicht, daß auf der Sparpirsch des Senats der Bau für das geplante Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ vor die Flinte getrieben und auf 1997 oder später verschoben worden ist. Arbeitsplätze und Investitionen gegen Gedenken lautet die schnöde Bilanz. Doch hinter der Finanzattacke lauert der Versuch, das 45-Millionen-Projekt zu kippen. Es ist kein Geheimnis, daß die „offene Wunde“ des einstigen Gestapo-Geländes in der Stadt für viele ein Ärgernis bildet, das in die schöne neue Welt aus Ministerien und schicken Hochhäusern am Potsdamer Platz nicht so recht paßt: Fünfzig Jahre nach Kriegsende muß auch das Kapitel der brutalen Nazi-Folterzentrale endlich geschlossen werden. Kein Blick zurück – nach vorn!
Doch die Rechnung geht nicht auf. Vergangenheit verhält sich nicht zu Sparzwängen. Schon gar nicht geht dies mit der Stiftung Topographie des Terrors, die seit nunmehr zehn Jahren im Provisorium am Martin-Gropius-Bau mit der Dokumentation und deren Vermittlung arbeitet. Die „schrecklichste Adresse“ hat sie ins Bewußtsein gehoben, der Grundstein zum Museum wurde 1995 gelegt, und der Entwurf des Architekten Zumthor hat längst von der Realität dort Besitz ergriffen. Weder dies noch das Gedenken sind revidierbar. Schon gar nicht durch die Axt der Sachzwänge. Rolf Lautenschläger
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