Ländle-Parteien ordnen sich neu: Lob der schwäbischen Hausfrau
Eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl haben CDU, SPD und Grüne im Südwesten neue Vorsitzende gewählt. Vor allem der neue CDU-Chef Stefan Mappus polarisiert.
STUTTGART taz | Gleich drei Parteien haben am Wochenende in Baden-Württemberg ihr Personal neu sortiert: CDU, SPD und Grüne stellen sich allmählich auf die Landtagswahl in eineinhalb Jahren ein. Die Voraussetzungen dabei könnten unterschiedlicher kaum sein. Wie erwartet wählten die Delegierten der CDU auf ihrem Landesparteitag am Freitag Stefan Mappus mit 92,6 Prozent zu ihrem neuen Landeschef - und zugleich zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2011. Mappus war als einziger Kandidat von der Partei- und Fraktionsspitze nominiert worden. Damit folgt er Günther Oettinger nach, der als EU-Kommissar nach Brüssel weggelobt wurde. Mappus wird in den nächsten Monaten auch dessen Amt als Ministerpräsidenten übernehmen.
Die Grünen haben am Samstag gleich beide Landesvorsitzenden ihrer üblichen Doppelspitze ausgewechselt. Die 43-jährige Silke Krebs und der 30-jährige Chris Kühn folgen Daniel Mouratidis und Petra Selg, die kaum über die Parteigrenzen hinaus bekannt wurden. Trotzdem übernehmen die beiden eine derzeit starke Partei: Bei der Bundestagswahl hatten die Grünen 13,9 Prozent erzielt.
Die neuen Konstellationen bringen Spannung in die Südwestpolitik. Die CDU, mit 34,4 Prozent bei der Bundestagswahl historisch schlecht, hat mit Mappus einen erzkonservativen, noch jungen und kampfeslustigen Politiker an ihre Spitze gestellt. Inhaltlich folgt er weitestgehend seinem Vorgänger Oettinger: Die geplante Neuverschuldung 2010 von 2,6 Milliarden Euro will er so schnell wie möglich wieder auf null führen, was Baden-Württemberg 2008 schon einmal gelang. Der Mittelstand soll gestärkt, die Kinderbetreuung ausgebaut, in Bildung und Forschung investiert werden. Mappus fordert in Anlehnung an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) einen "Aufbau Südwest" in Straßen und Schienen. "So wie der Osten sich jahrelang auf unsere Solidarität verlassen konnte, so ist es jetzt wichtig, dass das wichtige Transitland nicht im Investitionsstau stecken bleibt."
Gleichzeitig polemisiert Mappus wesentlich stärker als sein Vorgänger. Feindbild ist Rot-Rot-Grün, die Linkspartei beschimpfte er in seiner Rede auf dem Landesparteitag als "Erben des Stalinismus" und als "linke Selbstfindungstrupps". "Das kann man wahrlich nur im Rausch ertragen", polterte er in Anlehnung an eine Forderung eines Landesverbandes der Linkspartei zur Legalisierung weicher Drogen. Die Parteirechte darf sich über Herdfolklore freuen: "Bei uns gibt es sie wirklich, die tatkräftige, tüchtige Hausfrau", sagte Mappus.
Die Grünen freuen sich darüber. "Ich bin der CDU dankbar, dass sie uns Herrn Mappus als Sparringspartner zur Verfügung stellt. Dieses konservative Comeback wird der CDU schaden und uns nutzen", sagte die frisch gekürte Landesvorsitzende Krebs der taz. Lange galt Baden-Württemberg als Testgebiet für mögliche schwarz-grüne Bündnisse, dem will Krebs trotz des neuen Feindbildes keine Absage erteilen: "Wir sind für Chancengerechtigkeit, insofern bekommt auch Herr Mappus seine Chance", sagte sie.
Auch die SPD hat sich neu aufgestellt. Die bisherige Landeschefin Ute Vogt war nach der Bundestagswahl mit furchtbaren 19,3 Prozent für die Südwest-SPD zurückgetreten. Jetzt ist der 36-jährige Landtagsabgeordnete und Finanzpolitiker Nils Schmid neuer Chef. Bisher war er außerhalb der Partei quasi unbekannt. Ihn wählten die Genossen in einer Mitgliederbefragung mit deutlichem Vorsprung vor seinen beiden KonkurrentInnen, der 55-jährigen Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis und dem 58-jährigen Landtagsfraktionschef Claus Schmiedel. Die Wahl ist eine empfindliche Niederlage für den Fraktionschef. Schmid sagte in seinem Bewerbungsvideo seinen Mitgliedern: "Lasst uns gemeinsam neu anfangen." Das wird nötig sein. Mappus lästerte auf dem Parteitag, die Sozialdemokraten seien "pulverisiert", die CDU habe als letzte verbleibende Volkspartei jetzt eine Sonderstellung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern