Länder fordern Rückkehr der Sirenen: Heulen ist doch besser
Deutschland fehlt ein effektives Warnsystem. Die Bundesländer sind sich einig: Sie wollen die Sirenen zurück.
Was macht Berlin bei einem Anschlag? Wie wird die Bevölkerung gewarnt? Mit Sirenen jedenfalls nicht: In Berlin gibt es keine Sirenen mehr, sagt Michael Wiegand. Er ist in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport im Referat für Katastrophenschutz der zuständige Sachbearbeiter für die Warnung der Bevölkerung. "Hier geschieht die Warnung derzeit mangels anderer Möglichkeiten per Lautsprecherwagen der Polizei", sagt er.
Das ist schlecht, wenn's mal pressiert. Aber daran hatte im Jahr 1992 kaum jemand gedacht: Der "Kalte Krieg" war vorbei, Bund und Länder verteilten die Kompetenzen: Die Länder sollten für Katastrophenschutz zuständig sein, der Bund für den Verteidigungsfall.
Nicht unlogisch, denn zumindest in der Theorie ist es so: Katastrophen wie etwa Überschwemmungen betreffen einzelne Regionen, ein Krieg dagegen die gesamte Republik. Seit 2001 jedoch werden vor allem terroristische Anschläge gefürchtet.
Nun aber gilt: "Terroranschläge sind Ländersache", so Karsten Mälchers, stellvertretender Pressesprecher des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Bei einem Anschlag handele es sich nämlich um einen asymmetrischen Angriff: mit Angreifer, aber ohne Gegner. Und das sei nun einmal kein Krieg.
Auf einen Anschlag aber sind die Länder nicht vorbereitet - nicht einmal die Bundeshauptstadt Berlin. Der Bund hatte in den Neunzigern den Ländern zwar angeboten, die Sirenen vor Ort zu übernehmen. In Überschwemmungsgebieten zum Beispiel wurden auch einige erhalten. Aber nicht in der Hauptstadt. An Stelle der Sirenen ließ der Bund ein bundesweites satellitengestütztes Warnsystem "SatWaS" installieren - könnten davon im Notfall auch Berlin und die anderen Bundesländer profitieren?
Mit SatWaS werden ins Fernsehbild Nachrichtenbänder eingespeist, Radiosendungen mit einer Warndurchsage unterbrochen. In Berlin stehen sogar zwei Anlagen. Aber wer hat Nachts schon Computer, Radio oder Fernsehen an? Darum hat der Bund im Jahr 2003 auf Bitte der Länder ein paar technische Systeme mit "Weckeffekt" untersucht, sagt Herbert Schäfer vom Referat für Katastrophenschutz, Notfallvorsorge und Zivile Verteidigung im Baden-Württembergischen Innenministerium.
Die Ergebnisse waren mager - die Warnung über Telefonfestnetz oder Mobilfunk etwa ist sinnlos, wenn das Handy ausgestellt ist und das Telefon nicht im Schlafzimmer steht. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass ein effektives Warnsystem fehlt. Nicht nur für Berlin. Auch für die anderen Länder, bundesweit, sogar europaweit: Sowohl der Rat der Europäischen Union als auch das Europäische Parlament haben sich des Themas angenommen, sie wollen ein europaweit einheitliches Warnsystem.
In der Innenministerkonferenz bemüht sich der Arbeitskreis V, zuständig für Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung, um eine Lösung. Die Bundesländer sind sich schon mal einig: Sie wollen ihre Sirenen zurück - und der Bund soll das bezahlen. Das würde rund 130 Millionen Euro kosten, so eine Schätzung des Baden-Württembergischen Innenministeriums. Dazu kämen die Kosten für Wartung und Unterhalt.
Aber der Bund scheint mit SatWaS zufrieden, und die Innenministerkonferenz kommt nicht weiter: "Da ist das Thema immer mal wieder auf der Tagesordnung und wird diskutiert", sagt Karsten Mälchers lakonisch.
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